Erst Lebensmittel abholen, dann impfen lassen

© Tafel Deutschland e.V.

Das zweite Pandemie-Jahr hat gezeigt, dass niedrigschwellige Impfangebote besonders für armutsbetroffene Menschen wichtig sind. Tafeln in ganz Deutschland starteten deshalb im Sommer und Herbst 2021 eigene Aktionen, bei denen sich ihre Kundinnen und Kunden freiwillig impfen lassen konnten.

In den Impfzentren waren die Termine schlagartig ausgebucht und die Telefone der Praxen von Ärztinnen und Ärzten standen nicht mehr still: Als die Priorisierung bei der Corona-Schutzimpfung im Sommer 2021 aufgehoben wurde, nutzten viele Bürgerinnen und Bürger ihre Chance und ließen sich gegen COVID-19 impfen. Vor allem Menschen mit einem höheren Einkommen, wie eine Studie ergab. „Unter Geringverdienenden im untersten Fünftel der Lohnverteilung gaben im Juni 2021 nur 49 Prozent der Befragten an, schon mindestens ihre erste Impfdosis erhalten zu haben – verglichen mit 71 Prozent unter Besserverdienenden im obersten Fünftel“, erklärte die Hans-Böckler-Stiftung im Juli 2021. Das lag nur zum Teil an Ängsten und Zweifeln. Einige waren mit der Terminsuche überfordert, anderen fehlte schlicht die Zeit, ständig Online-Portale zu aktualisieren oder Praxen hinterherzutelefonieren, um sich einen Termin zu sichern.


Niedrigschwellige Angebote für eine Impfung ohne viel Aufwand waren gefragt. Ob in Augsburg oder Viersen, in Bruchsal, Göttingen oder Schweinfurt: Bundesweit reagierten Tafeln schnell auf die Situation und organisierten freiwillige Impfaktionen. Meist konnten die Kundinnen und Kunden die Impfung direkt mit ihrem Tafel-Besuch verbinden, wie beispielsweise bei der Nürnberger Tafel. Im Mai 2021 war sie eine der ersten Tafeln, die mit mobilen Impfteams zusammenarbeiteten. In den sechs Ausgabestellen informierten Impflotsen des Bayerischen Roten Kreuzes, dem Trägerverein der Nürnberger Tafel, Kundinnen und Kunden vorab in verschiedenen Sprachen über die Aktion und luden sie ein, sich in der Tafel impfen zu lassen. Auch in der Tafel Flensburg, in Trägerschaft der Johanniter, wurden bereits im Juni und Juli 2021 an vier Tagen knapp 800 Dosen verabreicht. Wegen der hohen Nachfrage folgten in den nächsten Monaten weitere Termine.

Erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt

Tafeln, die nicht in Trägerschaft sind, konnten durch Kooperationen ebenfalls niedrigschwellige Impfangebote schaffen. „Bevor man in unsere Ausgabe kommt, haben wir einen Raum, der mehr oder weniger leer steht“, berichtet Rita Vaupel, erste Vorsitzende der Tafel Marburg. „Ich habe gedacht, dass es schön wäre, dort Impfungen durchzuführen. Also bin ich auf das Gesundheitsamt zugegangen.“ Mit Erfolg: Zusammen mit dem Deutschen Roten Kreuz und den Johannitern bietet das Gesundheitsamt des Landkreises Marburg-Biedenkopf nun die Corona-Schutzimpfung in dem freien Raum der Tafel an. „Das ist gut für unsere Kundinnen und Kunden, die sich bei ihrem Tafel-Besuch gleich impfen lassen können“, so Rita Vaupel. Das Impfangebot in der Tafel steht auch allen anderen Bürgerinnen und Bürgern offen. Während der Öffnungszeiten können sie ohne Termin vorbeikommen.

Die erste Impfaktion in der Tafel Marburg fand ganz spontan an zwei aufeinanderfolgenden Tagen Mitte Oktober 2021 statt. Obwohl kaum Zeit war, den Termin zu bewerben, nahmen ihn sofort einige Menschen wahr. „Nach dem Auftakt kann man sich bei uns kontinuierlich fast jeden Tag impfen lassen. Dadurch erhalten die Menschen hier auch ihre Zweitimpfung“, sagt Rita Vaupel. Die Tafel bewirbt die Impfmöglichkeit auf ihrer Website und auf ihren Social Media-Profilen. Das Gesundheitsamt gibt die Termine zusätzlich in der Tageszeitung und auf seiner Website bekannt. Das mobile Team, das die Impfungen durchführt, informiert Interessierte vor der Impfung über Hintergründe, Wirkung und mögliche Nebenwirkungen des Impfstoffes. Zusätzlich hat die Tafel Marburg Informationsmaterialien in verschiedenen Sprachen angefertigt.

Impferfolg dank persönlichem, mehrsprachigem Kontakt

Auch bei der Holzkirchner Tafel in Oberbayern hat ein mehrsprachiges Angebot zum Erfolg geführt. Den Besuch des Impfbusses des Landkreises Miesbach kündigte das Team unter anderem mit deutsch- und arabischsprachigen Flyern an. Vor Ort unterstützte Tafel-Helfer Mehdi aus dem Iran die Impftermine als Dolmetscher. Er informierte Kundinnen und Kunden mit geringen Deutschkenntnissen persönlich, erklärte ihnen, warum eine Impfung sinnvoll ist, und nahm dadurch vielen ihre Bedenken. Die Tafel sprach ihre Kundinnen und Kunden bei der Ausgabe vor dem Impftermin direkt an und informierte auch alle Helferinnen und Helfer, dass sie und ihre Familien oder Bekannten sich impfen lassen konnten. Zudem warb sie auf Facebook, ihrer Website und in der lokalen Presse für den Besuch des Impfbusses.

Nach dem erfolgreichen ersten Termin im September 2021 machte der Impfbus noch weitere Male vor der Tafel Halt, sodass auch Folgeimpfungen möglich waren. „Die Termine wurden alle sehr gut angenommen, natürlich nicht nur von unseren Kundinnen und Kunden, sondern auch von der Holzkirchner Bevölkerung“, erklärt Gerhard Berberich, Schriftführer der Holzkirchner Tafel. „Der Impfarzt hat mir gesagt, dass er erfreulich viele Erstimpfungen durchgeführt hat, speziell bei unseren Abholerinnen und Abholern.“

Dieser Beitrag erschien im Tafel-Magazin 2021.

Ähnliche Beiträge