© Monique Wüstenhagen
Die Deutschen werden immer älter. 2030 wird rund ein Drittel der Bevölkerung über 65 Jahre alt sein. Diese demographische Entwicklung hat entscheidende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt: Die Fachkenntnis und Erfahrung älterer Mitarbeiter wird für den Arbeitsprozess immer wichtiger. Am produktivsten arbeiten Studien zufolge altersgemischte Teams. Bei den Tafeln war das schon immer so. Ihre Geschichte zeigt, dass Menschen 60+ enorm leistungsstark und effizient arbeiten – und dass vom Miteinander der Generationen alle profitieren.
Die Mehrzahl der 60.000 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Tafeln in den letzten zwei Jahrzehnten aufgebaut haben und in Gang halten, ist älter als 60 Jahre. Sie leisten ausgezeichnete Arbeit, für die sie zu Recht Anerkennung und Wertschätzung erfahren. Gleichzeitig sind sie sich durchaus bewusst, dass sie dabei zuweilen auch an ihre Belastungsgrenzen kommen.
Ältere Menschen verfügen über Lebenserfahrung und Know-how, sind planungs- und entscheidungserfahren und haben einen abgeklärten Arbeitsstil. Sie sind „Handlungsexperten“, die wissen, wann sie genau analysieren und abwarten oder schnell handeln müssen. Gleichzeitig lassen physische Leistungsfähigkeit, Handlungsdynamik und Innovationskraft im Alter eher nach.
Dagegen verfügen jüngere Menschen in der Regel über eine höhere physische Leistungsfähigkeit, Handlungsdynamik und Innovationsfreude. Gleichzeitig fehlt es ihnen an Lebenserfahrung und Abgeklärtheit.
Stärken und Schwächen können sich in altersgemischten Teams eher ausgleichen und wirksam ergänzen, was sie insgesamt erfolgreicher macht.
Dr. Jürgen Pfister
Der Erfolg von Teams wird unter anderem dadurch bestimmt, dass die unterschiedlichen Altersgruppen mit ihren oben idealtypisch skizzierten Stärken und Schwächen angemessen vertreten sind: Altershomogene Arbeitsteams laufen schnell Gefahr, ihre Stärken einseitig zu entwickeln und ihre Schwächen zu potenzieren. Dagegen können sich die Stärken und Schwächen der unterschiedlichen Altersgruppen in altersgemischten Teams eher ausgleichen und wirksam ergänzen, was sie insgesamt erfolgreicher macht. Viele Betriebe gehen deshalb seit geraumer Zeit dazu über, bewusst auf Arbeitsteams mit einer gemischten Altersstruktur zu setzen; ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfahren dadurch inzwischen auch in der Wirtschaft wieder mehr Wertschätzung, wie eine Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) bereits 2012 gezeigt hat.
Altersgemischte Teams lassen sich freilich nur dort bilden, wo eine hinreichend große Altersvielfalt besteht. Die Tafeln haben das erkannt und steigern ihre Altersvielfalt durch die Aktion „Ich helfe mit – und du?“ mit dem Ziel, freiwillige Helferinnen und Helfer im Alter zwischen 15 bis 30 Jahren für die Tafel-Arbeit zu begeistern. „Die freiwilligen Helferinnen und Helfer sind meist nur Ältere und es wird Zeit, dass sich die Jugend […] mehr engagiert“, sagt Heike Richter, 26 Jahre, die die Leeraner Tafel unterstützt. Vergleichbare Aktionen könnten auch dazu beitragen, die „mittelalten“ Jahrgänge (30- bis 55-Jährige) stärker in die ehrenamtliche Arbeit einzubeziehen. Die Integration von „jungen“ und „mittelalten“ Ehrenamtlichen in die Tafel-Teams entlastet die „älteren“. Insbesondere die hohen physischen Anforderungen der ehrenamtlichen Tafel-Arbeit, z.B. bei der Lebensmittelabholung, können in altersgemischten Teams auf Dauer besser gemeistert werden.
Natürlich bergen altersgemischte Teams auch ein erhebliches Konfliktpotenzial. Bei ihren Mitgliedern bestehen in den verschiedenen Altersgruppen unterschiedliche Einstellungen zu Leistung, Pflichtgefühl, Loyalität, Arbeitstempo u.v.m., die zu Vorurteilen, Missverständnissen und Abgrenzungen führen können. Eine gelingende Zusammenarbeit in altersgemischten Teams erfordert deshalb zwingend, dass ihre Mitglieder ein hohes Maß an wechselseitiger Toleranz und Wertschätzung auf Basis eines gemeinsamen, universalistischen Werteverständnisses füreinander aufbringen, sich ihrer Schwächen bewusst sind und ihre jeweiligen Stärken wirksam einbringen. Die Leitidee der Tafeln „Jede:r gibt, was er kann“ ist ein solches Werteverständnis, das sich in ganz besonderem Maße dazu eignet, Tafel-Aktive unterschiedlichsten Alters in die ehrenamtliche Arbeit einzubeziehen.
Dr. Jürgen Pfister berät Unternehmen und Organisationen u. a. bei der Entwicklung einer demographiefesten Personalstrategie und eines nachhaltigen Umgangs mit Vielfalt. Von 1986 bis 2012 war er in leitenden Funktionen des Personalmanagements internationaler Konzerne tätig. Für sein Engagement bei der betrieblichen Ausbildung Jugendlicher mit Behinderung und der Integration älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wurde er 2008 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Dieser Beitrag erschien im Tafel-Magazin 2016.