Große Einsparungen im sozialen Bereich hatte die Bundesregierung für den Haushalt 2024 eingeplant. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Sondervermögen und der daraus folgenden Haushaltssperre werden noch aggressivere Sparmaßnahmen beispielsweise beim Bürgergeld diskutiert. Das ist der völlig falsche Schritt und belastet armutsbetroffene Menschen auf unzumutbare Weise, sagt Andreas Steppuhn, Vorsitzender der Tafel Deutschland. In diesem Beitrag ordnet er die soziale Lage aus Tafel-Perspektive ein, spricht sich für höhere Löhne statt niedrigere Sozialleistungen aus und erklärt, warum die Bundesregierung nicht bei den Ärmsten sparen darf.
Bei den Tafeln spüren wir jeden Tag, dass sich unsere Gesellschaft und unser Land weiterhin in einer Notlage befinden. Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, die Inflation und die sich zuspitzende Klimakrise führen dazu, dass mehr Menschen in Not geraten und ihr Geld nicht mehr für Essen, Wohnen und das Nötigste reicht. Das betrifft nicht nur Menschen, die Bürgergeld oder andere Sozialleistungen beziehen, sondern immer häufiger auch Menschen, die wenig verdienen, kinderreiche Familien, Alleinerziehende sowie Rentnerinnen und Rentner.
Mich verärgert die Debatte um mögliche Haushaltskürzungen im sozialen Bereich, insbesondere beim Bürgergeld. Sie zeigt, wie wenig manche politische Entscheider:innen die Lebensrealität von Menschen mit wenig Geld kennen. Wer sagt, dass sich Arbeit lohnen muss und deshalb Sozialleistungen gekürzt werden müssen, den lade ich gerne zu den Tafeln ein. Sie werden dann die Menschen kennenlernen, die arbeiten gehen und mit Bürgergeld aufstocken müssen. Die alleinerziehend sind, in Teilzeit arbeiten und enorm hohe Mieten zahlen. Die ihr ganzes Leben lang so wenig verdient haben, dass ihre Rente jetzt wenige hundert Euro im Monat beträgt. Die psychisch oder körperlich krank sind und deshalb nicht arbeiten können. All diese Menschen sind gemeint und unmittelbar betroffen, wenn Gelder gekürzt werden sollen.
Die Antwort aus unserer Sicht ist deshalb klar: Wir brauchen nicht nur dringend eine Erhöhung des Bürgergeldes, sondern eben auch eine Erhöhung der niedrigen Löhne. Das Problem ist doch: Menschen, die wenig verdienen, sind nicht nur heute abgehängt und ausgegrenzt, sondern auch in der Rente. Spätestens dann werden sie auf (weitere) Sozialleistungen angewiesen sein.
Als Tafel Deutschland appellieren wir an die Bundesregierung, die soziale Notlage anzuerkennen und nicht bei den Ärmsten zu sparen.
Andreas Steppuhn, Vorsitzender Tafel Deutschland e.V.
Als Tafel Deutschland appellieren wir deshalb an die Bundesregierung, die Notlage anzuerkennen und nachhaltigere Ideen zu entwickeln, als den Impuls bei den Ärmsten zu sparen. Armut ist nicht nur ein Problem der Armen. Armut gefährdet den sozialen Frieden in unserem Land. Die Bekämpfung von Armut muss deshalb zentrales politisches Ziel sein. Eine angespannte Haushaltslage darf nicht dazu genutzt werden, den Sozialstaat weiter abbauen zu wollen. Stattdessen könnten Subventionen für klimaschädliche Ausgaben auf den Prüfstand. Auch eine Reform der Schuldenbremse ist angebracht, wenn ihr Einhalten nur auf Kosten der Ärmsten in unserer Gesellschaft möglich ist.