Fotos: Tafel Deutschland e.V.
Traditionell retten die 974 Tafeln Lebensmittel vor allem aus dem Einzelhandel: In Supermärkten, Discountern, Bäckereien und anderen Läden holen sie hauptsächlich frische Waren wie Obst, Gemüse und Brot ab. Doch die Spendenmengen werden geringer, während die Nachfrage hoch bleibt. Wie Tafeln damit umgehen, zeigt ein Besuch bei der Sangerhäuser Tafel in Sachsen-Anhalt.

„Jede Spende hilft“, sagt Manuela Röhnisch. Die Leiterin der Tafel in Sangerhausen begutachtet, was in den schwarzen Kisten liegt, die Fahrer Dietmar und Beifahrer Gökhan gerade aus dem Tafel-Fahrzeug ausladen und auf der Laderampe abstellen. Sie sieht viel Brot, ein paar Snacks, gemischte Kühlwaren wie Joghurt, vegane Wurst und Fleischsalat, auf denen zum Teil Sticker mit der Aufschrift „30 % billiger“ kleben. Bei den Eiern und den wenigen Packungen Kaffee weiß Manuela Röhnisch, dass sie bei ihrer Kundschaft begehrt sein werden.
Mehrere Kisten voller Obst und Gemüse lädt das Team ebenfalls aus. Tafeln retten aus Supermärkten am häufigsten frische Lebensmittel. Eine Kiste ist an diesem Dienstag im Juni ausschließlich mit frischen Erdbeeren gefüllt – darüber freuen sich viele Tafel-Kundinnen und -Kunden besonders, denn für die meisten sind Beeren im Supermarkt zu teuer. Für die Tafel-Aktiven bedeutet das Saisonobst viel Arbeit: Es verdirbt schnell und wird beim Transport häufig beschädigt. Hier müssen sie gründlich sortieren.



Verteilen, was wir selbst essen würden
Alle gespendeten Lebensmittel gehen vor der Ausgabe durch die Hände der Engagierten. Sie schauen sich die Waren an, sortieren sie nach Art und entsorgen, was nicht mehr genießbar ist. Immer nach dem Motto: Wir verteilen nur, was wir selbst essen würden.

Pro Woche sammelt die Tafel rund 12 Tonnen Lebensmittel aus dem Einzelhandel in Sangerhausen und Umgebung ein. Dafür fährt das Team aus Fahrer Dietmar und Beifahrer Gökhan von Montag bis Freitag jeden Tag raus. „Manchmal bleibt nach dem Sortieren nur die Hälfte übrig“, so Manuela Röhnisch.
Rund 1.200 Kundinnen und Kunden unterstützt die Sangerhäuser Tafel, die seit 25 Jahren besteht. Im Jubiläumsjahr bleibt die Nachfrage nach Unterstützung hoch. Neben der regulären Ausgabe beliefert die Tafel ein bis zwei Mal pro Woche ein Obdachlosenheim und ein Frauenhaus in Sangerhausen mit Lebensmitteln.
Manuela Röhnisch ist die Dienstälteste im Team: Seit 22 Jahren engagiert sich die gelernte Köchin hier ehrenamtlich, seit über drei Jahren leitet sie die Sangerhäuser Tafel. Dabei stehen ihr 18 Helferinnen und Helfer zur Seite – bis auf einen angestellten Fahrer arbeiten alle ehrenamtlich.

Lebensmittel vom Tafel-Landesverband
Das kleine Fahrzeug der Sangerhäuser Tafel steht im Schatten des großen Lkw des Landesverbandes Tafel Sachsen-Anhalt. Während das Tafel-Team einzelne Kisten aus dem Tafel-Auto rausträgt, entladen Joachim und Karsten vom Landesverband direkt daneben ganze Paletten per Hubwagen und fahren sie über die Laderampe in den Sortierraum.
Die 13 Tafel-Landesverbände nehmen große Spenden von Lebensmittelherstellern an, die für eine einzelne Tafel zu viel wären. Sie teilen sie auf, sodass möglichst viele Tafeln etwas davon erhalten und an ihre Kundschaft weitergeben können.



„Seit circa 3 Jahren ist auffällig, dass wir weniger Lebensmittel aus den Supermärkten bekommen“, sagt Manuela Röhnisch. Das liegt unter anderem daran, dass der Einzelhandel dank zunehmender Digitalisierung besser planen kann und selbst häufiger zu reduzierten Preisen Lebensmittel mit kurzer Haltbarkeit verkauft. So bleibt weniger für die Tafeln übrig. „Vom Landesverband erhalten wir aktuell circa 12 bis 15 Tonnen Waren im Monat. Und ich muss gerade ehrlich sagen: Das ist unsere Rettung.“
Bohnen und Backmischungen
Was genau der Landesverband aus seinem Lager anliefert, ist für Manuela Röhnisch jedes Mal eine Überraschung. Palettenweise fahren die Ehrenamtlichen heute eine Backmischung für Zimtschnecken in die Ausgabe. „Bis Freitag ist das alles weg“, schätzt die Tafel-Leiterin. Neben der Backmischung gibt es Brötchen, Kosmetikprodukte sowie frische, portionsweise abgepackte Zutaten wie Champignons, Bohnen und Kresse, die ein großer Hersteller von Kochboxen den Tafeln gespendet hat. Einen Teil stellt das Tafel-Team für die Ausgabe am nächsten Morgen bereit, den Rest bewahrt es in der Kühlzelle für die folgenden Tage auf.
Wenn – wie heute – aus dem Einzelhandel wenig für die Tafeln übrigbleibt, können die Ehrenamtlichen mit den Lebensmitteln des Landesverbandes trotzdem die Beutel ihrer Kundschaft füllen. Dabei gilt jedoch: Tafeln unterstützen armutsbetroffene Menschen, können sie aber nicht voll versorgen. Jede Tafel verteilt das, was sie als Spende erhält. Und das tut das Team der Tafel in Sangerhausen mit enorm viel Engagement.
