© Dagmar Schwelle
60.000 Menschen sind bei den Tafeln in Deutschland aktiv, der Großteil davon ehrenamtlich. Was treibt sie an, sich zu engagieren? Wir haben uns mit drei Tafel-Aktiven über ihre Beweggründe unterhalten.
„Seit 2004 bin ich bei der Tafel aktiv – und habe gemeinsam mit meinem Mann den Tafel-Laden in St. Mang aufgebaut. Dreimal in der Woche organisieren wir die Anlieferung der Lebensmittel aus der Zentrale der Tafel Kempten und verteilen sie an 20 bis 35 Kundinnen und Kunden. Nach Pandemie-Beginn musste die Essensausgabe zunächst pausieren. Dank der schnellen und problemlosen Umsetzung der Hygienemaßnahmen konnten wir die Arbeit aber schnell wieder aufnehmen. Da unser Team hauptsächlich aus älteren Menschen besteht, ist uns die Einhaltung der Regeln besonders wichtig. Das Verständnis für Maßnahmen, wie das Masketragen und das Einhalten des Mindestabstandes, war unter den Kundinnen und Kunden groß. Ich freue mich darüber, etwas zu tun zu haben und anderen Menschen zu helfen. Nach meiner Verrentung kam es für mich nicht in Frage, zu Hause zu bleiben und mich nur um den Haushalt und Garten zu kümmern – das schaffe ich auch nebenbei. Durch die Arbeit im Tafel-Laden habe ich das Gefühl, noch gebraucht zu werden. Mein Mann und ich
ergänzen uns dabei gut. Da ich 13 Jahre in einer Bäckerei gearbeitet habe, hatte ich schon viel Erfahrung im Umgang mit Kundinnen und Kunden. Insgeheim habe ich mir immer gewünscht, eines Tages einen eigenen Laden zu führen. Dazu ist es mit der Gründung des Tafel-Ladens im Rentenalter gekommen.“
„Durch die Arbeit im Tafel-Laden habe ich das Gefühl, noch gebraucht zu werden.“
Resi Weiß, Tafel Kempten
„Ich bin seit über zwei Jahren im Team der Tafel Wörth. Nachdem ich selbst zwei Wochen lang Tafel-Kunde war, habe ich angefangen mitzuhelfen und bin seitdem für den Einlass zuständig. Am Anfang ging es mir vor allem darum, Deutsch zu üben. Inzwischen ist Helfen ein Hobby von mir geworden. Momentan mache ich einen LKW-Führerschein und außerdem ein Praktikum in einer Kfz-Werkstatt. Ich hoffe, dass ich danach dort fest angestellt werde. Zum Zeitpunkt, als ich bei der Tafel angefangen habe, konnte ich kaum Deutsch. Ich hatte zwar schon einen sechsmonatigen Deutschkurs besucht, wegen eines Negativbescheids vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge konnte ich aber nicht weitermachen. Außerdem habe ich in der Schule nicht so viele Fortschritte gemacht.
„Den Austausch mit den älteren Kundinnen und Kunden empfinde ich als bereichernd.“
Mahmoud Khalaji, Tafel Wörth e.V.
Die Arbeit bei der Tafel hat sehr dazu beigetragen, dass mein Deutsch besser geworden ist – insbesondere, weil ich vorher kaum Kontakt zu Deutschen hatte. Manchmal werden mir während der Arbeit sogar neue Vokabeln beigebracht. Meine Erfahrungen mit den Kundinnen und Kunden sind im Großen und Ganzen sehr positiv. Insbesondere den Austausch mit den älteren Kundinnen und Kunden empfinde ich als bereichernd, weil es sich ein bisschen so anfühlt, als würde ich meinen Eltern helfen. Etwa 70 Prozent der Menschen, die zur Tafel Wörth kommen, haben ebenfalls einen Migrationshintergrund. Auch im Iran gibt es Lebensmittel-Tafeln, die ähnlich funktionieren, allerdings haben diese nicht so oft geöffnet wie die Tafeln hier.“
„Schon Kleinigkeiten können eine Unterschied machen.“
Wolfgang Blaseck, Tafel Dieburg e.V.
„Ich bin schon immer von der Tafel-Idee überzeugt gewesen, vor allem aus sozialen Gesichtspunkten. Als ich 2014 bei der Tafel Dieburg angefangen habe, hatte ich nicht geplant, Vorsitzender zu werden. Zunächst habe ich beim Einlass geholfen, dann bin ich zum Vertreter und schlussendlich zum Vorsitzenden gewählt geworden. Der Zeitaufwand, der mit meiner Position einhergeht, ist mit dem eines Vollzeitjobs vergleichbar. Da ich es mir glücklicherweise leisten kann, nicht berufstätig zu sein, wollte ich meine Zeit und Fähigkeiten stattdessen nutzen, um armutsbetroffenen Menschen, die keine Lobby haben, zu helfen. Obwohl ich gewissermaßen mein Gespür für soziale Themen zum Beruf gemacht habe, ist die Leitung einer Tafel nicht vergleichbar mit der Tätigkeit eines „normalen“ Vereinsvorsitzenden. Täglich sind viele Menschen darauf angewiesen, von uns mit Lebensmitteln unterstützt zu werden – genau wie unsere festangestellten Mitarbeitenden, die sich darauf verlassen, ihr Gehalt pünktlich zu erhalten. Das ist Verantwortung und Ansporn.
Das Wertvollste an der Arbeit bei der Tafel ist für mich der Austausch mit anderen Ehrenamtlichen verschiedenen Alters, mit unterschiedlichen Sichtweisen, Meinungen und Lebensgeschichten. Wir ziehen alle an einem Strang. Durch die Pandemie wurde deutlich, in wie vielen Bereichen wir in Deutschland von ehrenamtlichem Engagement abhängig sind. Auch wenn ich darauf angewiesen wäre, berufstätig zu sein, wäre es mir wichtig, mich aktiv in die Gesellschaft einzubringen und nicht nur Kritik an den Zuständen zu üben:
„Mehr anpacken, weniger reden.“ Das Engagement bei der Tafel bietet mir außerdem die Möglichkeit, für meine Überzeugungen einzutreten – was im beruflichen Kontext nicht immer der Fall war. Ein Ehrenamt wie meines kann herausfordernd sein, aber es ist eine Erfahrung, die sich für jede und jeden lohnt. Es müssen keine Heldentaten vollbracht werden, schon Kleinigkeiten im unmittelbaren Lebensumfeld können einen Unterschied machen. Die Möglichkeiten sind fast unbegrenzt, da helfende Hände immer gebraucht werden.
Dieser Beitrag erschien im Tafel-Magazin 2021.