Foto: Navina Neuschl
Beim Tafel-Besuch in Potsdam zeigen Sirkka Jendis und Marco Koppe, dass das gute Miteinander nicht nur bei der Entwicklung von Zukunftsstrategien funktioniert, sondern auch bei der Ausgabe vor Ort.
Ärmel hochkrempeln und mitanpacken. Bei der Tafel Potsdam sind an diesem Tag Sirkka Jendis und Marco Koppe im Einsatz. Mit Schürze und Handschuhen kontrollieren und sortieren sie Lebensmittel, bevor sie verteilt werden. Geschäftsführerin Imke Georgiew erläutert der Geschäftsführung der Tafel Deutschland die Abläufe und spricht über ihre Sorgen und Herausforderungen, denen die Tafel 2022 ausgesetzt war. Jede Woche unterstützt die Tafel Potsdam mehr als 1.700 Menschen. „Von März bis Mai waren es 3.500, die wöchentlich kamen“, sagt Imke Georgiew. Die rund 200 ehrenamtlich Aktiven leisteten Doppelschichten. „Das war irgendwann nicht mehr möglich und wir mussten die Reißleine ziehen und einen Aufnahmestopp verhängen.“
Sirkka Jendis und Marco Koppe wissen um die Nöte und Belastungen der Tafeln. „Als Dachverband versuchen wir, die Tafeln vor Ort und die Landesverbände so gut es geht zu unterstützen“, macht Sirkka Jendis deutlich. „Wir haben immer ein offenes Ohr für die Aktiven, die trotz aller Belastungen so großartige Arbeit leisten.“ Auch für die neue Doppelspitze, die seit 2021 im Amt ist, waren es herausfordernde Zeiten. Die anhaltende Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die Inflation und die Energie-Krise bedeuten auch für die Geschäftsstelle viele zusätzliche Stunden an Projekt-, Kommunikations- und Fundraisingarbeit.
Mit vereinten Kräften die aktuellen Herausforderungen bewältigen
Mit Hochdruck arbeiten Sirkka Jendis und Marco Koppe gemeinsam an Veränderungen, die auch langfristig zur Entlastung der Tafeln führen und sie zukunftsfähig machen. „Auch, wenn Spenden vor Ort zurückgegangen sind, ist die Lebensmittelverschwendung nach wie vor groß“, sagt Sirkka Jendis. Eine Aufgabe sei es, Großspenden, die zurzeit sogar zunähmen, an die Tafeln zu verteilen. „Wir brauchen einen Ausbau unserer Logistik, eine digitalere Arbeitsweise und eine Stärkung des Ehrenamts“, nennt die Geschäftsführerin drei zentrale Punkte, die das Doppelspitzenteam auf der Agenda hat. Auch mehr Flexibilität sei gefragt. „Wenn ein Unternehmen kurzfristig einen LKW mit Lebensmittel anbietet, müssen wir schnell darauf reagieren können.“
Eine Konsequenz aus den gewachsenen Anforderungen und zunehmenden Anfragen ist die Umstrukturierung des Dachverbands. „Unsere hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind erste Ansprechpersonen für die Mitglieds-Tafeln, für Partnerinnen und Partner der Tafel Deutschland und für bundesweite Tafel-Themen, daher ist eine gute Struktur, in der man effektiv arbeiten kann, wichtig“, erläutert Marco Koppe. Aus diesem Grund wurden Anfang des Jahres Bereichsleitungen eingeführt, die die Arbeitsbereiche koordinieren. Gemeinsam mit der Tafel-Akademie sind es sieben Arbeitsbereiche mit insgesamt rund 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
„Wenn die Nachfrage von armutsbetroffenen Menschen steigt, wachsen auch im Dachverband die Aufgaben“, erklärt Sirkka Jendis. Gut sei daran, dass die angespannte Lage nun auch von der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen wird. „Wir wollen weiter für das Thema Armut sensibilisieren und den Tafeln eine politische Stimme geben.“ Ob es um die Forderung nach einem Lebensmittelspendengesetz geht oder um die Bewertung des Bürgergeldes, das grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung ist, aber bedingt durch die steigende Inflation nach wie vor nicht ausreicht. „Politische Kommunikation ist ein wichtiger Baustein unserer Arbeit“, betont Sirkka Jendis.
Gemeinsam die Zukunft gestalten
Aber nicht nur Politik, Lebensmittelgroßhändler und Privatspenderinnen und -spender hat das Geschäftsführungsteam im Blick. Auch die Professionalisierung des Ehrenamts ist ein wichtiger Baustein. Marco Koppe, Mitinitiator der Tafel-Akademie, setzt sich seit Jahren für die (Weiter-)Bildung und Stärkung der rund 60.000 Ehrenamtlichen ein. In diesem Jahr startete der von ihm konzipierte ViT-Zertifikatskurs, der für „Verantwortliche in Tafeln“ steht. Ein Jahr lang werden Aktive, die Leitungsverantwortung in Tafeln übernommen haben oder übernehmen wollen, in unterschiedlichsten Modulen geschult.
„Wir brauchen Modelle, die auch in Zukunft tragfähig sind“, sagt Koppe. „Dazu gehört die Nachwuchsgewinnung.“ Damit die Tafel Jugend weiter wächst, werden auch hier wichtige Weichen gestellt. „Wir wollen das Engagement junger Ehrenamtlicher noch mehr fördern“, sagt Marco Koppe. Junge Generationen beschäftigten sich wieder vermehrt und intensiv mit sozialen Themen. Das Engagement, sich aktiv gegen Armut einzusetzen, müsse aufgegriffen werden und in die Tafel-Arbeit einfließen.
Dass das Modell der Doppelspitze zukunftsfähig ist, merkt man nicht nur beim Tafel-Besuch in Potsdam. Sirkka Jendis und Marco Koppe ergänzen sich und bringen ihre unterschiedlichen Kompetenzen mit Leidenschaft in ihre Aufgabe ein. „Wir arbeiten vertrauensvoll und konstruktiv zusammen“, betont Marco Koppe. „Das ist ein großer Gewinn.“ Dass die strategischen Überlegungen der Geschäftsführung auch viel Bodenhaftung haben, zeigt der Tafel-Besuch. Gemeinsam packen sie an, nicht nur in Potsdam, sondern stellvertretend für alle Tafeln in Deutschland.
Der Beitrag ist im Tafel-Magazin 2022 erschienen.