Fit machen für die Tafel-Leitung

Karin Bracko-Kraft vor der Tafel
Tafel Offenburg e.V

Wer eine Tafel leitet oder leiten will, übernimmt nicht nur Verantwortung, sondern
vielschichtige und komplexe Aufgaben. Eine gute und umfassende Vorbereitung
und Einführung in die Tafel-Arbeit bietet der neue Zertifikatskurs „Verantwortliche
in Tafeln“, kurz ViT genannt. Über ihre Erfahrungen im Kurs und ihre Motivation,
sich in einer Leitungsfunktion zu engagieren, berichten zwei Teilnehmende.

Ich will gut vorbereitet sein

Karin Bracko-Kraft arbeitet als Projektkoordinatorin an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl. 2023 möchte sich die 33-Jährige bei den nächsten Wahlen für den Vorstand der Tafel Offenburg aufstellen lassen.

Warum ist Ihnen das Engagement bei der Tafel wichtig?

Neben meinem Beruf wollte ich mich gern sozial engagieren. Ich habe nach einem Ehrenamt gesucht, bei dem ich wirklich helfen kann und mit Menschen in Kontakt bin. Bei der Tafel sehe ich, wie Hilfe direkt ankommt. Vor allem jetzt, wo immer mehr Menschen auf Unterstützung angewiesen sind. In Offenburg habe ich durch die Zeitung erfahren, dass die Tafel Unterstützung sucht. Schon beim ersten Kontakt wurde deutlich: Es werden Menschen gebraucht, die Verantwortung übernehmen, zum Beispiel im Vorstand. Da ich berufstätig bin, habe ich ein bisschen gezögert, ob das zeitlich machbar ist. Aber die Grundsätze der Tafel – die Verbindung von ökologischem und sozialem Engagement – haben mich überzeugt: Lebensmittel retten und Menschen helfen.

Beruf und Ehrenamt – wie bekommen Sie das unter einen Hut?

Aktuell bin ich als Beisitzerin im Vorstand aktiv. Ich habe mich entschieden, in Teilzeit zu arbeiten, und so ist Freitag mein freier Tag, der für die Tafel reserviert ist. Dann kann ich vor Ort helfen, bei der Warenausgabe, der Lebensmittelsortierung oder immer da, wo man mich braucht. Aber auch wenn man die Arbeitszeit nicht reduziert, ist vieles machbar. Es muss nur gut organisiert sein und man muss das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen. Ich möchte junge Menschen ermutigen, diesen Schritt zu gehen. Bei der Tafel merke ich, dass sich die Aktiven sehr über neue Mithilfe freuen. Besonders jüngere Engagierte sind willkommen,
denn bei vielen Tafeln steht ein Generationenwechsel an.

Welche Vorteile bietet der ViT-Kurs?

Die Leitung einer Tafel ist mit viel Verantwortung verbunden und mir ist wichtig, mich schon im Vorfeld gut auf diese Aufgabe vorzubereiten. Ich komme ja nicht aus der Lebensmittelbranche und für mich ist daher einiges neu. Der ViT-Kurs ist genau das, was ich brauche, wenn ich künftig eine solche Aufgabe übernehmen möchte. Ich finde das Programm sehr umfassend und breit aufgestellt. Vom Personal- und Organisationsmanagement über Sicherheit und Logistik bis hin zum Freiwilligenmanagement ist alles dabei. Es gibt für alle Themen, die für die Tafel-Arbeit wichtig sind, eine Einführung. Das ist sehr wichtig, denn als Vorstand muss man mit all diesen Aufgabenbereichen sehr vertraut sein.

Was ist Ihnen an der Weiterbildung wichtig?

Für den Start war es gut, dass wir uns bei der Präsenzveranstaltung in Berlin persönlich kennenlernen konnten. Denn es geht nicht nur um Wissensvermittlung, sondern auch um Vernetzung und den informellen Austausch. Wie lösen andere Tafeln bestimmte Herausforderungen? Wie sind Abläufe anderswo organisiert? Fragen, die man am Abend oder in den Pausen bespricht. Inhaltlich ermöglicht mir der Kurs einen professionellen Einstieg in die neue Aufgabe. Und auch persönlich bringt mich das weiter. Was ich wichtig finde: dass ich das Wissen aus der Weiterbildung mit in die Tafel Offenburg tragen und so auch an andere Aktive weitergeben kann. Ich habe das Gefühl, es können alle davon profitieren. Und auch der Wechsel zwischen Präsenzterminen und Online-Terminen gefällt mir gut.

Wie klappt der Austausch zwischen den Modulen?

Über die Online-Plattform „Tafel-Treff“ sind wir miteinander verbunden. Hier werden auch die Unterlagen der Schulung abgelegt und wir können uns im Newsbereich über neue Nachrichten informieren. Toll finde ich, dass wir online in Gruppen zusammenkommen können. Wir können uns überregional vernetzen und zum Beispiel über neue Projekte austauschen. Der Tafel-Treff steht allen Tafel-Aktiven zur Verfügung, nicht nur den Kursteilnehmenden. Man muss sich nur registrieren. Bisher habe ich nur etwas hineingeschnuppert in diese interne Lern- und Austauschplattform der Tafel. Aber ich finde es toll, dass es die Möglichkeit der Vernetzung und Wissensbörse gibt. Das stärkt das Engagement und wir können uns gegenseitig unterstützen.

Man lernt immer noch dazu

Dieter Weiprecht leitet seit 2021 die Tafel Meiningen. Als ehemaliger Geschäftsleiter des Zweckverbandes für Abfallwirtschaft Südwest-Thüringen hat er Erfahrung mit Organisation und Personalmanagement. Den ViT-Kurs empfindet der 60-Jährige als große Bereicherung.

„Ich bin 2020 aus dem aktiven Berufsleben ausgestiegen und wollte im Ruhestand etwas Sinnvolles tun. Auch meine Frau engagiert sich ehrenamtlich im Hospiz. Da habe ich die Anzeige vom Sozialwerk Meiningen gesehen, das ist der Träger unserer Tafel. Die haben eine neue Leitung gesucht und ich habe mich dort beworben. Es gab ein Vorstellungsgespräch, dann habe ich 14 Tage ein Praktikum gemacht, um in die Tafel-Arbeit reinzuschnuppern. Das hat mir sehr gut gefallen, es war sehr professionell und gut organisiert und ich bin beeindruckt, was Ehrenamtliche hier leisten.

Bei der Tafel bin ich auch das erste Mal so hautnah mit Armut konfrontiert worden. Ich habe mir vorher nicht vorstellen können, dass in unserem reichen Land so viele Menschen auf Unterstützung angewiesen sind. Viele Menschen geraten unverschuldet in Not, Menschen, die das ganze Leben gearbeitet haben und nun mit 800 Euro Rente dastehen. Und es gibt ja viele, die gar nicht erst zu den Tafeln kommen, das Leid ist also noch viel größer. Ich bin sehr schnell überzeugt gewesen, dass das die richtige Aufgabe für mich ist, und habe erste Erfahrungen gesammelt, was eine Tafel-Leitung zu tun hat. Mein Vorgänger, der über 15 Jahre dabei ist, hat mich prima eingearbeitet und mir anfangs immer zur Seite gestanden. Das war ein guter Übergang.

Organisieren und die Finanzen im Auge behalten: Dieter Weiprecht leitet die Tafel Meiningen. Foto: Tafel Meiningen

Um noch tiefer in die Tafel-Arbeit einzusteigen, habe ich mich für den ViT-Kurs entschieden. Ich lerne viel dazu, auch über den Sinn der Tafel, die Organisation und die Motivation, sich dort zu engagieren. Der Kurs ist sehr gut und professionell. Die verschiedenen Module bilden die Tafel-Arbeit rundum ab. Viele Themen, wie Personalführung und Arbeitsschutz, kenne ich aus dem Berufsleben. Das ist für mich eine gute Auffrischung. Aber dann gibt es auch Tafel-Spezifisches, das für mich neu ist und ich gut gebrauchen kann. Ein Aspekt ist zum Beispiel die Lebensmittelsicherheit, damit hatte ich vorher keine Erfahrung. Neben den fachlichen Informationen ist mir im Kurs besonders der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen wichtig. Ich erfahre, wie andere Tafeln funktionieren, und kann dazulernen. Man bekommt so viele Anregungen, wie man Dinge auch anders machen kann und sich dadurch etwas verbessert. Dieser Erfahrungsaustausch ist Gold wert.

Was die Module angeht, da freue ich mich besonders auf das Thema Finanzen, das liegt mir einfach am Herzen. Gespannt bin ich auch auf den Bereich Social Media, das ist für mich Neuland. Aber ich finde es immer gut, meinen Horizont zu erweitern. Ich weiß, dass das Engagement in sozialen Netzwerken ein wichtiger Aspekt ist, um in die Öffentlichkeit hineinzuwirken. Jetzt lernen wir, wie man dies auch gut macht und was es zu beachten gilt. Ich bin rundum zufrieden mit der Weiterbildung, da fehlt mir wirklich nichts. Es ist gut organisiert und sehr professionell gestaltet mit tollen Referierenden, die Ahnung haben von ihrer Sache. Ich bin froh, dass ich neben der guten Einarbeitung vor Ort bei der Tafel Meiningen mein Wissen im
ViT-Kurs erweitern kann. Das ist eine echte Bereicherung.

ViT-Kurs

Der Zertifikatskurs „Verantwortliche in Tafeln“ (ViT) bietet einen Einstieg in die Kernthemen der Leitung und Steuerung einer Tafel. Das umfassende Programm ist in Pflicht- und Wahlpflichtmodule gegliedert, die verteilt über zwölf Monate online und in Präsenzterminen stattfinden. Zudem werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer während der Kurslaufzeit durch ein Coaching begleitet. Personen oder Tafeln, die Interesse an einem Kurs haben, können sich einfach melden unter seminare@tafel-akademie.de. Sie werden informiert, sobald eine Anmeldung zum nächsten Kurs (2024) möglich ist.

Dieser Beitrag erschien im Tafel-Magazin 2022.

Ähnliche Beiträge