© Oliver Vaccaro
Der syrische Theaterregisseur Zakaria Qweri leitete als Ehrenamtlicher das von „Tafel macht Kultur“ geförderte Projekt „Die verrückte Welt der blauen Zwerge“. Im Interview erklärt er, wie ihm das Theater und sein ehrenamtliches Engagement halfen, in Deutschland Fuß zu fassen.
Kinder und Jugendliche Kultur erschaffen lassen, damit sie ihren Horizont erweitern und sich selbstbestimmt entwickeln können – das ist das Ziel von „Tafel macht Kultur“. Von Armut betroffene junge Menschen werden durch das Förderprogramm ermutigt, abseits von schulischem Leistungsdruck kreative Potenziale zu entfalten. So auch im Theaterprojekt „Die verrückte Welt der blauen Zwerge“: Geflüchtete Kinder zwischen 8 und 14 Jahren schlüpften im Rahmen des Projekts in verschiedene Rollen und lebten sich mit Gesang, Tanz und Schau-spiel kreativ aus.
Für die Umsetzung des Projekts schlossen sich vier zivilgesellschaftliche Akteure aus dem brandenburgischen Schwedt zu einem lokalen Bündnis zusammen. Jeder Bündnispartner übernahm personelle und ideelle Eigenleistungen. Auch die Ehrenamtlichen der Tafel Schwedt brachten sich mit großem Enthusiasmus in das Projekt ein, unter ihnen Theaterregisseur Zakaria Qweri aus Syrien. Die ehrenamtliche Arbeit gab ihm Halt bei der Ankunft in der neuen Heimat.
Herr Qweri, welche Bedeutung hat das Theater in Ihrem Leben?
Über die Türkei bin ich nach Deutschland gekommen. Nach meiner Ankunft hatte ich keine Lust mehr etwas zu machen – nichts. Ich hatte nicht mal mehr Lust zu essen. Ich wollte nur allein sein. Das ging zwei Monate lang so. Dann habe ich gehört, dass es hier ein Theater gibt. Das hat mir geholfen, dieser Situation zu entfliehen. Theaterspielen „klaut“ meinen Charakter. Ich bin nicht mehr Zakaria, sondern der Charakter, den ich spiele. Will ich ein Prinz sein, dann werde ich ein Prinz. Will ich ein reicher Mann sein, dann kann ich ein reicher Mann sein. Will ich eine arme Person sein, dann kann ich auch diese Person darstellen. Ich brauche nur ein Stück zu schreiben und dann kann ich sein, wer ich will. Egal welche Person, egal welcher Charakter. Und das gefällt mir. Egal, ob es das erste Mal oder das tausendste Mal ist. Es weckt so viele Glücksgefühle. Die Aufregung, der ganze Druck und Stress sind währenddessen vergessen.
Welche Momente haben Sie in dem Projekt besonders geprägt?
Die Kinder! Sie waren für mich das Beste. Die Kinder waren sehr moti-viert. Aber auch die Teamarbeit. Mein Team war sehr toll. Jeder wusste, was seine Aufgabe war. Auch die Zusammenarbeit mit unseren Partnern, der Tafel, der Stadt, den Uckermärkischen Bühnen und dem Stol-perdraht Theater hat super funktioniert.
Wie ist die Idee entstanden, die „Schlümpfe“ als Inspirationsquelle für „Die verrückte Welt der blauen Zwerge“ zu nutzen?
Die Schlümpfe sind international. Man kennt sie überall auf der Welt. Auch in Syrien kennt sie wirklich jeder. Die sind wie der Weihnachts-mann oder Schneewittchen überall bekannt.Was haben Sie aus dem Projekt für sich mitgenommen?Die Erfahrung als Theaterregisseur tat mir sehr gut. Sie hat mich gestärkt. Ich habe es geschafft, ein positives Ergebnis zu erzielen! Man muss jeden Tag etwas lernen. Wenn man nicht lernt, ist man kein Mensch. Ich habe auch gelernt, nicht aufzugeben. Man muss immer weiterkämpfen.
Welche Bedeutung hat die Tafel für Sie?
Die erste Zeit hier war ich Dolmetscher. Aber ich sprach nur Englisch. Englisch reichte mir nicht. Es ist wichtig, in Deutschland die deutsche Sprache zu lernen. Ich habe mitbekommen, dass man in der Tafel ehrenamtlich als Bundesfreiwilliger arbeiten kann. Das habe ich ein Jahr zusätzlich zum Theater gemacht. So habe ich die Sprache gelernt. Jeden Tag, wenn ich in der Tafel war, habe ich mich unterhalten. Meine Arbeit war das Sprechen.
Und wie geht es nach dem Projekt für Sie weiter?
Ich sage immer, dass man nicht als Schauspieler arbeiten kann. Das Theater ist ein Hobby. Als Schauspieler verdient man nicht so viel. In Syrien habe ich neben meiner Theaterarbeit fünf Jahre als Kranken-pfleger gearbeitet. Hier kann ich auch als Krankenpfleger arbeiten, momentan möchte ich aber einen eigenen Laden eröffnen. Doch erst einmal nehme ich mir ein paar Monate Zeit, um andere Projekte zu Ende zu bringen, zum Beispiel bin ich als YouTuber aktiv. Ich hoffe auch, dass wir noch ein Projekt mit der Tafel umsetzen können.
Was wünschen Sie sich für Ihre persönliche und berufliche Zukunft?
Gutes tun und Menschen helfen. Das ist es, was ich machen will. Ich wünsche mir, vielen Leuten zu helfen. Der schönste Moment für mich ist, wenn sich die Leute bei mir bedanken. Mehr Wünsche habe ich nicht. Ich habe alles, was ich brauche. Es braucht nur Zeit. Mit Geduld wird alles gut.
Das Projekt „Tafel macht Kultur“ wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit dem bundesweiten Förderprogramm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ gefördert. Seit 2018 ist die Tafel Deutschland in Kooperation mit der Tafel-Akademie Programmpartner und bringt mit dem Projekt „Tafel macht Kultur“ kultuelle Bildung für Kinder und Jugendliche zu den Tafeln.
Das Interview erschien im Tafel-Magazin 2019.