Foto: Tafel-Akademie
An einem Montag Ende März 2023 in Würzburg. Das Wetter ist wechselhaft und präsentiert alles, was es um die Jahreszeit zu bieten hat: Schnee, Hagel, Windböen und Sonnenschein. Es ist 14 Uhr als wir im VINYARD ankommen – in einem hellen, offenen Raum ist hier eine der Tafel-Ausgaben Würzburgs beherbergt. Und genauso freundlich und offen, wie die Räumlichkeiten sind, werden wir vom anwesenden Tafel-Team begrüßt und aufgenommen. Während der Aufbau für die Ausgabe bereits in vollem Gange ist, starten wir mit den Vorbereitungen für unsere Mitmachküche. Unsere Hauptaufgabe ist Reiben – Kartoffeln und Sellerie für leckere Sellerierösti. Auch wenn die Tafeln ihr Bestes geben, alle Lebensmittel zu verteilen, finden sich immer wieder Produkte, die auf der Beliebtheitsliste nicht ganz oben stehen. So ergeht es auch dem Knollensellerie. Und das wollen wir ändern! Denn neben allen wunderbaren Nährstoffen und der Regionalität der knubbeligen Knolle, ist sie wandelbar und vor allem köstlich.
Tafel is(s)t gesund und Klimafood machen Lust auf gesunde Lebensmittel
Die Projekte „Tafel is(s)t gesund und nachhaltig“ und KlimaFood sind mit dem Auftrag unterwegs, Tafel-Kundinnen und -Kunden klimafreundliche, gesunde und nachhaltige Gerichte näher zu bringen. Der beste Weg: probieren. Genau das ermöglichen wir den Kundinnen und Kunden hier im VINYARD am Eingang zur Tafel-Ausgabe. Dort haben wir unsere mobile Küche aufgebaut und braten, was das Zeug hält. Schon bald ist der ganze Hof in den appetitlichen Geruch von Sellerierösti gehüllt. Die Tafel-Kundinnen und -Kunden greifen gern zu – besonders den anwesenden Kindern schmeckt es. Während des Wartens ergeben sich Gespräche über gesunde Ernährung, die Vielfältigkeit von Sellerie und das anstehende Ernährungsbildungsseminar. Eine Frau mit großer Sonnenbrille und Brutzelerfahrung gesellt sich zu uns, schwingt den Rührlöffel in der Röstimasse, fängt an zu braten und sagt: „[Celery] is a nice addition, because it’s so popular here“ (Sellerie ist eine tolle Zutat, denn es ist so beliebt hier!).
Linsenbolognese in Neumarkt
Der nächste Tag startet früh, um nach Neumarkt in der Oberpfalz zu fahren. Die Mission ist die gleiche, das Gericht ein anderes. Wie viele Tafeln hat auch die Tafel in Neumarkt mit einem Rückgang der Spenden zu kämpfen. Liegen bleibt hier also nichts. Wir kochen daher Linsenbolognese, ein bekanntes Gericht ohne die übliche tierische Beteiligung, dafür mit regionalen und günstigen Proteinbomben: Linsen. Hier zeigt sich, dass Klimafreundlichkeit nicht immer großen Aufwand oder Veränderung bedeutet. Linsen werden regional angebaut, halten lang, werden ohne Kühlung gelagert und verbrauchen in der Produktion deutlich weniger Wasser und CO2 als Hackfleisch, welches mit diesen Vorteilen nicht mithalten kann. Auch hier werden wir von dem wundervollen Tafel-Team mit allen Kräften unterstützt und bauen unsere Küche in einer gemütlichen Sitzgruppe auf. Leider laden 0° Celsius Außentemperatur nicht zum Verweilen ein. Dennoch kommen wir auch hier ins Gespräch mit den unterschiedlichsten Tafel-Kundinnen und -Kunden, die die wärmende Bolognese mit Baguette vom lokalen Bäcker genießen. Auch wenn unsere Nudelsauce hier als Eintopf begrüßt wird, freuen sich die Anwesenden über die Abwechslung und probieren gern. Die letzten Plätze für das anstehende Seminar werden gebucht.
„Das habt Ihr sehr lecker gekocht!“
Tag drei hält für uns strahlenden Sonnenschein bereit und alles blüht, was schon dazu bereit ist. Mit Wärme im Gesicht und Weinbergen im Rücken starten wir in der Hauptausgabe der Tafel Würzburg. Eine Freiwillige der Tafel übersetzt von Deutsch auf Russisch und Ukrainisch und umgekehrt. Wir bereiten wieder Linsenbolognese zu, die von der Tafel eine besondere Begleitung bekommt: herzhaftes Landbrot von der lokalen Landbäckerei. Diesem Brot geht es ein wenig wie dem Sellerie. Es ist lecker und nahrhaft, kommt aber mit seiner Grundlage aus Roggen und dem Kümmelmantel nicht ganz so gut an. Vielleicht können wir da ein wenig nachhelfen. Mit einem Premiumplatz am Ein- und Ausgang kommen wir wieder mit Tafel-Kundinnen und -Kunden ins Gespräch. Wir reden über Themen wie fleischfreie Ernährung, die Vorteile von pflanzlichen Proteinen, aber auch Lagerung und Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) und die Zubereitung der Bolognese. „Noch besser wäre es mit einem Schlag saure Sahne“ – rät eine der Anwesenden. Auch das Brot freut sich über gesteigertes Interesse: „Die Leute haben zum ersten Mal dieses Brot gegessen und es schmeckt ihnen gut!“ schätzt unsere wunderbare Übersetzungshelferin ein. Am Ende kommt eines der Kinder und verkündet breit lächelnd: „Das habt Ihr sehr lecker gekocht!“ Was für ein toller Abschluss dieses sonnigen Tages!
Höchberger Idylle trifft auf Sellerierösti
Unser letzter Stopp führt uns in die Idylle von Höchberg bei Würzburg. Die Bäume blühen, es riecht nach Frühling und zu unserer großen Freude weicht dem strömenden Regen strahlender Sonnenschein. Zwischen Forsythien und Vorgärten bauen wir unseren Stand auf und die ersten Interessierten sammeln sich um uns und die Sellerierösti. Auch hier wollen wir dem Sellerie ein bisschen auf die Sprünge helfen und das anstehende Seminar für Kinder und Jugendliche bewerben. Einer der ersten Neugierigen ist ein junger Vater aus der Ukraine, der mit seinem Kind vor Ort ist und sich zunächst freut: „Now I know what I can do with this (Jetzt weiß ich, was ich damit machen kann)“. Im Handumdrehen hat er seinen Nachwuchs zum Seminar angemeldet. Einen anderen Mann konnten wir inspirieren, nicht nur Gemüsepfanne oder -suppe mit Sellerie zu kochen, sondern auch ab und zu mal Rösti. Wir braten und tauschen uns mit den Anwesenden über Haltbarmachung, fettfreie Zubereitungsmöglichkeiten, die Wichtigkeit der Tafel-Arbeit und gesunde Ernährung aus. Irgendwann ist der Sellerie aufgebraucht. Da kommt schon eine der Tafel-Aktiven mit knackigen Karotten um die Ecke, die wir direkt in unseren Teig reiben und weiter zubereiten. Auch die Variante schmeckt den Anwesenden und reicht genau bis die:der letzte wartende Kund:in versorgt ist und die Tafel ihre Ausgabe schließt. Nach einer warmen Verabschiedung machen wir uns mit Wegzehrung auf den Nachhauseweg.
Wir verlassen Würzburg mit dem Eindruck, das Beste gesehen zu haben, was Ehrenamt schaffen kann: Unterstützung von Menschen in Notsituationen, tolle Teams und zivilgesellschaftliches Engagement wie es vorbildlicher nicht sein kann.
Es wird eine Fortsetzung im Sommer geben, darauf freuen wir uns jetzt schon!