© Nikolaus Urban
Ein Großteil der Deutschen kennt die Tafeln und weiß, was sie tun. Die meisten wissen auch, woher die Lebensmittel kommen, die die Tafeln weiterverteilen. Doch was viele vergessen: Lebensmittelrettung kostet Geld und ist sehr aufwendig. Um ihre logistische Infrastruktur auszubauen, sind die Tafeln auf finanzielle Unterstützung angewiesen.
Weil Gastronomie, Hotels und Caterer zu Beginn der Corona-Pandemie nur eingeschränkt arbeiten konnten und als Abnehmer auf den Großmärkten fehlten, entstanden palettenweise Überschüsse an Großpackungen und frischer Ware. Gleichzeitig wurden die Lebensmittel in den Supermärkten wegen steigender Nachfrage vorübergehend knapp. Bei den Tafeln machte sich diese Entwicklung direkt bemerkbar: Supermärkte hatten zum Teil deutlich weniger Lebensmittelspenden für sie übrig, dafür blieben große Mengen in Großmärkten oder bei Herstellern liegen.
Lebensmittelrettung kostet Geld
Nun könnte man meinen, das sei doch gut. Das eine gleicht das andere aus und die Tafeln haben weiterhin genug Waren, die sie an Menschen in Not weitergeben können. Doch was sich viele nicht bewusstmachen: Lebensmittelrettung kostet Geld und ist sehr aufwändig. Gerade wenn es sich um große Mengen – wir sprechen hier von LKW-Ladungen – handelt. Und obwohl die Tafeln die größten Lebensmittelretter in Deutschland sind, können sie diese Warenmengen mit ihrer aktuellen Infrastruktur aus Zwischen-, Kühl- und Tiefkühllagern nicht bewältigen.
Alles über fünf Europaletten bedeutet Großspende
Die Fäden der Großspenden laufen in der hauptamtlichen Geschäftsstelle des Tafel-Dachverbandes in Berlin zusammen. Hier melden sich alle Spenderinnen und Spender, die große Mengen an Warenspenden abzugeben haben. Groß bedeutet bei den Tafeln über fünf Europaletten. Alles unter fünf Europaletten wird direkt vom Hersteller an die Tafeln vor Ort gespendet. Zudem fahren die lokalen Tafeln Supermärkte, Bäckereien und andere Lebensmittelgeschäfte an, um nicht mehr verkäufliche Waren abzuholen.
265.000 Tonnen Lebensmittel retten die Tafeln pro Jahr. Doch immer wieder müssen Warenspenden abgelehnt werden, weil es den Tafeln an Lager- sowie Transportkapazitäten fehlt. © Christoph Lowak, Nikolaus Urban
Drei LKWs mit Tiefkühlpizza, 45 Paletten Schokolade, 28 Paletten Smoothies – kein ungewöhnlich hohes Spendenaufkommen für den Tafel-Dachverband. Die Gründe für diese Spenden sind ganz unterschiedlich: Mal steht das Mindesthaltbarkeitsdatum kurz bevor, mal sind es Saisonartikel, z. B. Schokoladenosterhasen, die nach Ostern nicht mehr verkäuflich sind, mal wurden die Artikel falsch etikettiert. Der Qualität der Lebensmittel tun diese Merkmale keinen Abbruch und doch würden sie im Müll landen, wären da nicht die Tafeln. Pro Jahr retten sie 265.000 Tonnen Lebensmittel.
In der Praxis eine logistische Herausforderung
Ihren Weg zu den lokalen Tafeln und letztlich den Kundinnen und Kunden finden die Großspenden über die zwölf Landesverbände. Je nach Bedarf werden die Spenden auf die zwölf Regionen aufgeteilt, in Zwischenlagern neu kommissioniert und von dort an die lokalen Tafeln verteilt. Was hier so einfach klingt, ist in der Praxis eine logistische Herausforderung: Zum einen werden die Spenden meistens kurzfristig angekündigt, wodurch die Lieferung und Verteilung ebenfalls kurzfristig koordiniert werden muss. Teilweise müssen die Waren direkt beim Spender abgeholt werden. Zum anderen müssen die entsprechenden Lagerkapazitäten in den Regionen frei bzw. überhaupt vorhanden sein. Nicht alle Landesverbände verfügen beispielsweise über ein Tiefkühllager. Hinzu kommt, dass einige Tafeln nicht von den Großspenden profitieren, da die Anfahrt zum Zwischenlager schlicht zu weit ist.
2020 wurden über diesen Weg 16.000 Paletten Waren verteilt. Das ist rund ein Viertel mehr als im Vorjahr. Gleichzeitig mussten 6.500 Paletten abgelehnt werden, weil es den Tafeln unter anderem an Lager- sowie Transportkapazitäten fehlte – insbesondere im Kühl- und Tiefkühlbereich.
Ohne finanzielle Unterstützung geht es nicht
In dem Pilotprojekt, „Tafel macht Zukunft – gemeinsam digital“, das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft unterstützt wird, wird aktuell eine Online-Plattform entwickelt, die die Kommunikation zwischen Tafel, Handel und Hersteller verbessern soll, damit die Tafeln nur dorthin fahren, wo auch Spenden verfügbar sind. So können Routen besser geplant, Kosten gespart und Lagerplätze bereits im Vorhinein für die entsprechenden Spenden, beispielsweise im Kühlhaus, freigeräumt werden. Erste Bundesländer, wie Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt, unterstützen die Tafeln zudem finanziell beim Ausbau der Infrastruktur.
Immer mehr Tafeln nutzen Tablets und andere technische Geräte, um ihre Routen zu planen. © Nikolaus Urban
Gemäß den UN-Nachhaltigkeitszielen hat sich Deutschland dazu bekannt, die Lebensmittelverschwendung hierzulande bis 2030 pro Kopf zu halbieren, auch mithilfe der Tafeln. Doch um mehr Lebensmittel retten zu können, sind die Tafeln auf eine flächendeckende Unterstützung angewiesen. Die logistische Infrastruktur muss ausgebaut werden und das schaffen sie nicht alleine. Sie fordern hierfür finanzielle Unterstützung vom Staat. Aktuell sind ihre Kapazitäten am Limit. Dabei sind in vielen Tafeln die Lebensmittel knapp.
Der Beitrag erschien im Tafel-Magazin 2020.