30 Jahre Tafel

Bild aus den Gründungszeiten der Berliner Tafel,Helfende, die einen Transporter mit Lebensmittelspenden beladen

Foto: Berliner Tafel e.V.

Eine Welt im Krisenmodus wirft im Jubiläumsjahr 2023 die Frage nach unserer Identität auf. Danach, was uns ausmacht, welche Rolle wir im Sozialstaat übernehmen (wollen), wie sich unsere Arbeit durch die Krisen verändert hat und was wir gelernt haben von den andauernden Herausforderungen.

Als 2018 die älteste Tafel Deutschlands, die Berliner Tafel, und damit auch unsere bundesweite Bewegung 25 Jahre alt wurde, haben wir uns gemeinsam mit unseren Mitgliedern vorgenommen, in Zukunftswerkstätten den Blick nach vorne zu richten, uns zu hinterfragen und neugierig zu schauen, wie wir uns weiterentwickeln können, was wir gelernt haben aus den Herausforderungen der Vergangenheit. Es ging um Themen wie Nachwuchsgewinnung im Ehrenamt, Digitalisierung, Finanzierung und Globalisierung der Tafel-Arbeit.

Fünf Jahre später sind diese Themen immer noch aktuell, doch die Welt ist eine andere, und sie provoziert neue Fragen.

Herausfordernde Jahre

Wir sind gehetzt und gestolpert durch eine globale, mehrere Jahre andauernde Pandemie. Die Tafel-Arbeit wurde von außen auf den Kopf gestellt. Aus Orten der Begegnung, des Zuhörens, des Zusammenseins wurden „kontaktarme Ausgabestellen“. Unsere Arbeit wurde auf ihren absoluten Kern reduziert: Umverteilung. Gute Lebensmittel vor dem Müll zu retten und an Menschen zu verteilen, denen es an so vielem fehlt. „Früher“ waren das öfters Menschen, die sich etwas Anderes leisten konnten, wenn sie bei uns sehr günstig Lebensmittel bekamen. Heute sind es oftmals Menschen, die sonst nicht wissen, was sie essen sollen. Die nicht mehr darüber nachdenken, ob das Geld für einen Kinobesuch, den Sportverein oder ein Geschenk für die Liebsten reichen könnte.

Heute haben der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die historische Inflation die Pandemie auf Platz Drei der Krisen verdrängt. Immer, wenn wir dachten: „Mehr schaffen wir nicht“, „so herausfordernd wie gerade war es noch nie“ – wurde es: mehr. Mehr Krise, mehr Herausforderungen und Probleme, mehr Arbeit, mehr Improvisation, mehr Anpassung. Aber auch: mehr öffentliche Wahrnehmung, mehr Zuspruch und mehr Unterstützung.

Wissen, was uns wirklich ausmacht

Die Tafeln werden 30 – und wir stehen vor gewaltigen Fragen. Was uns als Menschen ausmacht und eben auch als zivilgesellschaftliche Bewegung, das spüren wir mitunter besonders stark, wenn es fehlt. Nach drei Jahren Pandemie und einer Zeit der Entbehrungen, der Unsicherheiten, Ängste, der Erschöpfung und der fehlenden Kontakte zu anderen Menschen wissen wir: Zum absoluten Kern unserer Arbeit gehört auch das Miteinander. Unsere Helferinnen und Helfer können und wollen nicht ohne einander, unseren Kundinnen und Kunden helfen oftmals nicht nur die Lebensmittel, sondern eben auch der Austausch, das Gespräch, der Aufenthaltsort.

Zwei Helferinnen der Lübecker Tafel stehen gemeinsam vor der Lebensmittelausgabe

Foto: Reiner Pfisterer

Wir wissen auch: Wir übernehmen Aufgaben, die eigentlich der Sozialstaat leisten muss und nicht eine Ehrenamtsbewegung. Wir wollen diese Rolle nicht annehmen. Wir wollen keine Existenzhilfe leisten müssen. Lautstark fordern wir politische Armutsbekämpfung.

Ausblick auf das Jubiläumsjahr

2023 sind wir Partner der Internationalen Wochen gegen Rassismus, die vom 20. März bis 2. April unter dem Motto „Misch Dich ein“ stattfinden. Vom 6. bis 8. Juli 2023 treffen sich die Tafeln, ihre Freundinnen und Freunde und Unterstützerinnen und Unterstützer zum 24. Bundestafeltreffen in Mannheim. Wir freuen uns, uns wieder begegnen zu können und gemeinsam in die Zukunft zu blicken. Den Tafel-Tag am 30. September 2023 nutzen die Tafeln auch im Jubiläumsjahr, um auf ihre Arbeit aufmerksam zu machen und zum Spenden aufzurufen. Im Mittelpunkt stehen die Themen des Erntedankfestes und der Tafel-Arbeit: ein wertschätzender Umgang mit Lebensmitteln und eine gerechte Verteilung der Lebensmittel.

Mit unserer unmittelbaren Hilfe sind wir in dieser krisengeschüttelten Welt ein Zeichen für: Hoffnung, Zuversicht, Solidarität. Ein leidenschaftliches und verlässliches Zeichen dafür, dass wir als Gesellschaft und als Individuen mit Menschlichkeit durch diese Zeiten gehen. Auch darauf werden wir 2023 gemeinsam aufmerksam machen. Denn die Tafeln können nur weitermachen, wenn sie weiterhin unterstützt werden. DANKE an alle unsere unermüdlichen Helferinnen und Helfer und die zuverlässigen Partnerinnen und Partner.

Dieser Beitrag ist im Tafel-Magazin 2022 erschienen.

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