Tafel Norderstedt macht Zukunft

Mitarbeiter:innen der Tafel Norderstedt stehen gemeinsam vor ihrem Lager

Foto: Philip Wilson

Margrit Grebe, Vorständin der Tafel Norderstedt, spricht mit dem Projektteam von „Tafel macht Zukunft“ im Interview über die Nutzung der eco-Plattform. Sie engagiert sich seit 2015 bei der Tafel und ist seit 2017 Mitglied im Vorstand. Als 2015 viele Geflüchtete nach Deutschland kamen, überlegte Margrit Grebe, wie sie den Menschen helfen und sie mit Lebensmitteln unterstützen könnte. So kam sie in den Kontakt mit der Tafel Norderstedt. Ziemlich schnell erkannte Margrit Grebe, dass Prozesse in der Tafel optimiert werden konnten. Über den Tafel-Dachverband wurde sie auf das Thema Digitalisierung aufmerksam.

Wann hast du von der eco-Plattform und von dem Digitalisierungsprojekt der Tafel Deutschland zum ersten Mal gehört?

Bevor es bei uns vor Ort so richtig losging, nahm ich 2018 an einer der drei regionalen Zukunftswerkstätten in Braunschweig teil. Dort bot die Tafel Deutschland Workshops zur Zukunft der Tafel-Bewegung an. Als eines der fünf Themen stand dabei auch die Digitalisierung im Fokus. Wir entwickelten abenteuerliche Ideen, zum Beispiel einen Lebensmittelversand mit Drohnen, und ließen unseren Fantasien freien Lauf. Das alles fand ich sehr interessant und als ich im Sommer 2019 einen Anruf mit der Frage bekam, ob ich Interesse an der Entwicklung der eco-Plattform hätte, sagte ich direkt zu. Danach gab es in einem kleinen Kreis zwei Treffen in Wiesbaden und die Konzipierung ging los.

Du bist von Beginn an dabei: von der Idee bis zur Umsetzung

Eigentlich schon! Und genau das hat es für mich so spannend gemacht. Bei den Sprints*, die wir gemeinsam mit dem Programmierungsteam hatten, konnte ich die Tafel-Seite einbringen. So konnten wir die Entwicklung auf die Themen richten, die uns wirklich wichtig sind und in der Umsetzung vor Ort auch tatsächlich machbar waren. Genau das kann oft große Schwierigkeiten bereiten, da viele Entwicklerinnen und Entwickler natürlich ganz tolle Ideen haben, aber von der lokalen Umsetzung nicht genug wissen. Die Software muss aber zum Tafel-Alltag passen und vor allem auch von den Ehrenamtlichen umsetzbar sein. Während der Pilotierung des Projektes hatten wir die Möglichkeit, die Entwicklung aktiv mitzugestalten. Neben den Sprints konnten wir uns mit dem Projektteam auch immer telefonisch austauschen und unsere Ideen, aber auch Herausforderungen weitergeben.
* Ein Sprint beschreibt eine Zeiteinheit, in der das Team einen zuvor besprochenen Plan zur Erreichung eines Zwischenziels umsetzt.

Fotos: Philip Wilson

Was war die größte Herausforderung und wie habt ihr diese überwunden?

Natürlich gab es ganz am Anfang Schwierigkeiten mit den Tablets und uns passierten Anfängerfehler. Wir nahmen zum Beispiel nicht ausreichend aufgeladene Geräte mit auf die Touren. Grundsätzlich macht die eco-Plattform unsere Arbeit leichter. Ohne könnten wir auch die ganzen Krisen der letzten Jahre nicht einigermaßen heil überstehen. 

Das A und O ist natürlich, dass die Fahrerinnen und Fahrer die Nutzung von Tablets akzeptieren. Das kann man nicht „ein bisschen einführen“. So funktioniert’s nicht. Entweder man macht es ganz oder gar nicht. In der ersten Woche bin ich jeden Morgen vor Ort gewesen, bevor die Touren begannen, um alles nochmal durchzugehen und bei Problemen alles vernünftig zu erklären. Ich habe eine Anleitung geschrieben und mitgegeben, in die alle jederzeit schauen konnten. So waren wir in der Lage, die Einführungsphase schnell zu beenden. Auch die Vorteile haben sich schnell bemerkbar gemacht. Als die Corona-Pandemie begann und wir schnell reagieren mussten, konnten wir auch kurzfristig die Touren umstellen und kommunizieren: „Jetzt fahrt ihr so und die anderen fahren gekürzt usw.“ Das ging ohne Probleme. Nach den ersten Schwierigkeiten war ich angenehm überrascht, weil die Fahrerinnen und Fahrer sofort mitmachten und bemerkten: „Es ist ja gar nicht schlecht für uns.“

„Ich finde, gerade die Touren-App, die während des Fahrdienstes gestartet wird, ist eigentlich selbsterklärend.“


Margrit Grebe

Wer nutzt die eco-Plattform?

Über die Touren-App, also auf den Tablets, nutzen die Fahrerinnen und Fahrer die eco-Plattform. In unserer Tafel sind es Ehrenamtliche unterschiedlichen Alters, bis zu 80 Jahre. Alle nutzen die Software, ohne Ausnahmen. Das Alter spielt bei uns keine Rolle. Alle kommen mit der Digitalisierung klar. Stationär, im Büro, wird das Dashboard der eco-Plattform von unserer Geschäftsführerin genutzt. Den Beladungsstatus gucken sich unsere Logistikerinnen und Logistiker an.

Was hat sich verändert, seitdem ihr die eco-Plattform nutzt?

Über die Touren-App geht es einfach schneller. Sie erleichtert beispielsweise die Kommunikation. Wir können sehen, welche Märkte angefahren und wie viel Ware bereits abgeholt wurde. Man hat einen sehr guten Überblick. Die Waren, die bei uns ankommen, sind nicht mehr „Pi mal Daumen“, sondern messbar. Wir können uns das Reporting (Auswertung) angucken und sehen, in welchem Zeitraum von wem und wie viel wir bekommen haben. So können wir effizienter planen und feststellen, welche Märkte uns eigentlich Ware liefern, auf die wir auch verzichten könnten (durch die Beurteilung der Qualität der Ware durch die Fahrerinnen und Fahrer in der App). Das ermöglicht es uns, die Touren zu optimieren. Wir können auch besser sehen, wie weit eine laufende Tour vom Lager oder von der Ausgabestelle entfernt ist, um z.B. die Warenannahme vorzubereiten. Das erleichtert Vieles. Noch ganz am Anfang, vor der Digitalisierung der Prozesse, waren wir uns sicher, dass wir kein Warenwirtschaftssystem haben wollen. Aber man will einfach besser wissen, was eigentlich bei uns ankommt.

„Mit der eco-Plattform können wir nicht verhindern, dass wir weniger Ware bekommen, aber wir können es besser steuern.“


Margrit Grebe

Bei uns werden die Waren vormittags eingesammelt. Wir fahren täglich vier Standardtouren und meistens eine zusätzliche Sondertour mit insgesamt fünf Fahrzeugen. Im Schnitt gehen die Autos nachmittags für zwei weitere Ausgabestellen gleich wieder raus. Wir wissen jetzt ganz genau, welche Lebensmittel wir zur Verfügung haben. Es ist einfach die Organisation, die Planbarkeit, die verbessert werden konnte.

Das „Tafel macht Zukunft”-Team bietet auch intensive Einführungskurse zur eco-Plattform an. Wie waren deine Erfahrungen?

An den Schulungen habe ich selbst teilgenommen und mein Wissen weitergegeben. Damit habe ich auch gute Erfahrungen gemacht: Einmal durch und dann lief es. Während des Prozesses kam ich irgendwann Mal auf die Idee, ein großes Plakat – wir haben es immer noch – an die Wand zu heften, auf dem alle Funktionen der eco-Plattform abgebildet sind. Das Ziel war es, zu zeigen: „Hier wollen wir hin und das funktioniert so“. Alle Fahrerinnen und Fahrer sahen es, bevor sie ihre Touren gestartet haben.

Dein Rat an die Tafeln:

Keine Angst haben und einfach loslegen. Meiner Meinung nach ist die Nutzung der eco-Plattform selbsterklärend. Heutzutage kann man eine Tafel nicht aus dem Bauch heraus leiten. Das funktioniert nicht. Die Tafeln funktionieren wie kleine Unternehmen und im Unternehmen würde man auch nicht sagen, „ich führe es nach Gefühl“. Die Abläufe müssen vernünftig gesteuert werden und die eco-Plattform ist eine einfache und unkomplizierte Art dies zu tun – zumindest, was die Waren angeht.

Den Bedarf nach Digitalisierung erkannte ich bei uns in der Tafel schon als ich anfing und sah, dass man mit Listen und Kundennamen gearbeitet hat. Es gab keine Übersicht, welche Kundinnen und Kunden zu welchen Ausgabestellen kommen. Solche Sachen kann man nicht mehr händisch ausfüllen. Das ist zu viel Arbeit. Und schon da haben die Mitarbeitenden gesehen, dass die Technik Vorteile mit sich bringt. Das Einführen von der eco-Plattform war somit eine logische Folge. Ich muss heutzutage genau wissen, was in meiner Tafel passiert, damit ich sie auch vernünftig und zeitgemäß führen kann.

Wann genau habt ihr die eco-Plattform eingeführt?

Im November 2019 haben wir die eco-Plattform bereits eingesetzt. Auch während der Corona-Pandemie haben wir die Software durchgehend genutzt. Zu diesem Zeitpunkt lief es bereits super und es hat sich bei uns gut eingespielt. 

Warum ist das Thema Digitalisierung immer noch so umstritten im Bereich der Tafel-Arbeit? Wie ist deine Zukunftsprognose?

Die Tafeln sind sehr unterschiedlich, man kann sie natürlich nicht zwingen, sich zu digitalisieren. Die meisten haben Angst, dass sie ein Stück Eigenständigkeit verlieren. Ich verstehe das. Die Einstellung „so haben wir es schon immer gemacht“ finde ich persönlich aber problematisch. Ich wünsche mir, dass möglichst viele Tafeln mitmachen. Zumindest bei der Nutzung der Funktionen wie die Touren-App und die Digitalen Lieferscheine. Die sind ganz wichtig. Für die Zukunft hoffe ich, dass die Tafeln gleich aufgestellt sind, was die Abwicklung angeht. Beginnend mit der Kundenverwaltung bis hin zum Ausstellen von Lieferscheinen spielt die Digitalisierung eine große Rolle und sollte dazu dienen, Sachen zu vereinfachen. Zukünftig wird es sehr schwierig sein, mitzuhalten, wenn man nicht bereit ist, jetzt die Zeit zu investieren.

Die Pilotierungsphase des Projektes ist zu Ende, jetzt geht es in die Weiterentwicklung. Wenn du zurückblickst, gibt es eine Erinnerung an die Projektarbeit, die du teilen möchtest?

Wahrscheinlich glaubt es mir keiner, aber es hat bei uns keine gravierenden Probleme verursacht. Vor allem das Thema, was vielen so große Angst macht: „Fahren mit den Tablets“ wurde bei uns schnell angenommen. Die Fahrerinnen und Fahrer sind losgehfahren und alles war gut. Außerdem kann man mit der eco-Plattform auch sehr gut im Home-Office arbeiten. Alles, was von zuhause aus erledigt werden kann, mache ich nicht im Büro.


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