Junge Tafel-Engagierte vor dem Bundeskanzleramt in Berlin. © Oliver Vaccaro
„Junge Menschen haben Bock sich zu engagieren“, sagt Sebastian Prill mit Nachdruck. Beim ersten Kongress der Tafel Jugend steht er auf einem flachen Podest und schaut auf eine Gruppe junger Tafel-Aktiver, die links vor ihm nah beieinander stehen. Der Mitbegründer der Jungen Tafel Göttingen hatte eine imaginäre Skala vorgegeben, die von null Prozent an der linken Wand bis zu 100 Prozent an der rechten Wand des Raumes reichte. Wie viele junge Menschen engagieren sich nach Meinung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ehrenamtlich? Sebastian forderte sie auf, sich dort im Raum hinzustellen, wo sie die korrekte Antwort vermuten. Die meisten sammeln sich irgendwo rund um zwanzig Prozent, ziemlich weit am unteren Ende der Skala. Sebastian grinst: „Ihr schätzt eure Generation viel zu pessimistisch ein. 42 Prozent der jungen Leute engagieren sich ehrenamtlich, das sind im Vergleich zur gesamten Bevölkerung überdurchschnittlich viele.“
Dieses junge Engagement wurde auch vom 19. bis 21. August 2022 in Berlin sichtbar: Dort trafen sich rund 40 Engagierte zwischen 15 und 31 Jahren zum ersten Kongress der Tafel Jugend. Sie kamen aus Berlin und Potsdam, aber auch aus Leipzig, dem Harz, Göttingen, Düsseldorf oder Duisburg, Bremen, Bonn, Tübingen oder Gießen. Einige engagieren sich seit wenigen Monaten bei ihrer Tafel, andere sind schon viele Jahre dabei. Manche organisieren sich in ihrer Tafel bereits in einer eigenen Ortsgruppe.
„Die Tafel Jugend fördert junges Engagement. Wir möchten uns vernetzen, deswegen sind wir heute hier. Wir wollen uns auf allen Verbandsebenen einbringen und neue junge Freiwillige gewinnen“, erklärte Sophie Pölcher, die letztes Jahr zur ersten Gast-Jugendbeisitzerin der Tafel Deutschland gewählt wurde, bei der Eröffnung des Kongresses. Damit stimmte sie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf ein intensives und erlebnisreiches Wochenende ein, das in einer emotionalen Kundgebung vor dem Bundestag seinen Abschluss und Höhepunkt fand.
Ankommen, Kennenlernen, Schmecken: So begann der Kongress der Tafel Jugend
Schmeckt Wasser, in dem Melonenstücke ziehen gelassen wurden, eigentlich deutlich anders als Wasser aus einem Gurken-Aufguss? Das probierten die Kongress-Besucherinnen und -Besucher bei einer blinden Verkostung selbst aus: Das Ernährungsbildungsprojekt „Tafel is(s)t gesund“ präsentierte einen liebevoll vorbereiteten Parcours, an dem die Tafel-Aktiven ihre Sinne auf die Probe stellen konnten. Das Wasser mit Zitrone erkannten die meisten von ihnen sofort; das Wasser, mit dem zuvor Melonen- oder Apfelstücke aufgegossen wurden, brachte hingegen viele ins Stocken. Dabei ist Wasser mit natürlichem Geschmack eine leckere, abwechslungsreiche und schnell zubereitete Alternative zu purem Wasser oder ungesunden Getränken.
Mit solchen spielerischen Aktionen sensibilisiert „Tafel is(s)t gesund“ bei Seminaren auch Tafel-Kundinnen und -Kunden für eine gesunde Ernährung und zeigt ihnen, wie sie sich dank einfacher Mittel ausgewogener ernähren können. Mit dem kleinen Experiment beim Kongress machte Projektmitarbeiterin Larissa Kugel den Gästen Appetit darauf, die kostenlosen „Tafel is(s)t gesund“-Seminare auch in ihrer Tafel anzubieten.
Projekt-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter der Tafel Deutschland und Tafel-Akademie begrüßten die Tafel-Aktiven im Veranstaltungssaal und stellten neben „Tafel is(s)t gesund“ abwechslungsreiche Projekte und Programme vor, die die Jugendlichen und Erwachsenen in ihrer Tafel anbieten oder selbst nutzen können. Einer Tafel fehlen Helferinnen und Helfer? Der Bundesfreiwilligendienst bietet Menschen jeden Alters die Möglichkeit, sich für das Gemeinwohl zu engagieren – auch bei vielen Tafeln. Mit den Materialien, die das Projektteam verteilte, können die Tafel-Aktiven Interessierte direkt vor Ort ansprechen. Bei ihrer Entdeckungsreise zur Tafel-Bewegung erfuhren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ebenfalls Wissenswertes über Projekte wie „Tafel macht Zukunft“ und „MOTIV“ und konnten sich über die Seminare der Tafel-Akademie informieren.
Gemeinsam über den Tellerrand schauen
Wann wurde eigentlich die erste Tafel gegründet? 1993 in Berlin! Wie viele Tafeln sind aktuell Mitglied im Dachverband Tafel Deutschland? 962! Womit befasst sich das Projekt „Tafel macht Zukunft“? Digitalisierung! Wie viele der 60.000 Tafel-Aktiven engagieren sich ehrenamtlich? 90 Prozent!
Mit einem kleinen Quiz zu den Tafeln begrüßte Marco Koppe, Geschäftsführer der Tafel-Akademie und der Tafel Deutschland, offiziell die Gäste – die wiederum bewiesen, dass sie sich bereits sehr gut auskannten. Zeit, die spannenden Details auszupacken, die noch nicht alle kennen: Marco Koppe erklärte der Tafel Jugend unter anderem, was der Dachverband Tafel Deutschland genau macht und wie er die Tafeln in ihrer Arbeit vor Ort unterstützt. Tafel Deutschland nimmt beispielsweise Lebensmittel-Großspenden an und verteilt sie, handelt Unternehmenskooperationen aus, sensibilisiert die Öffentlichkeit für wichtige Themen wie Armut, Ehrenamt und Lebensmittelverschwendung und bietet über die Tafel-Akademie Weiterbildungen für alle Tafel-Helferinnen und -Helfer an.
Vielen Dank für euer Engagement in den Tafeln. Ihr zeigt, dass Tafel auch jung ist, denn Armut geht uns alle etwas an. Lebensmittelverschwendung geht uns alle etwas an. Ihr setzt euch in ganz Deutschland dagegen ein, das ist großartig!
Marco Koppe, Geschäftsführer der Tafel-Akademie und der Tafel Deutschland, zur Begrüßung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer
Wie verdaut man am besten einen aufregenden ersten Tag mit Quiz, Kennenlernrunden, Sinnestest sowie vielen Informationen zu Tafel Deutschland, Tafel-Akademie, Tafel Jugend und Projekten? Mit einem leckeren Abendessen! Unter Anleitung von drei Ehrenamtlichen der Organisation „Über den Tellerrand“ bereiteten alle gemeinsam eine Linsensuppe und Tabouleh, einen Petersiliensalat, zu. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren aus ganz Deutschland zum Kongress der Tafel Jugend angereist und kannten sich vorher zum Großteil nicht. Die gemeinsame Mahlzeit bot daher eine hervorragende Gelegenheit, entspannt miteinander ins Gespräch zu kommen.
Kundgebung „Armut macht keine Sommerpause – Wir auch nicht“
Sonntag, 21. August: Vor dem Paul-Löbe-Haus im Berliner Regierungsviertel legen die jungen Tafel-Ehrenamtlichen bunt bemalte Teller auf den Boden und rollen selbst gestaltete Plakate aus. Darauf sind in deutlichen Worten Botschaften an die Bundesregierung für soziale und ökologische Gerechtigkeit zu lesen: Armut abschaffen; gesundes Essen darf kein Luxus sein; Regelsätze rauf, Sanktionen raus; keine Lebensmittel verschwenden; volle Teller für alle.
Die Ehrenamtlichen kennen die Situation armutsbetroffener Menschen aus dem Tafel-Alltag, kommen in engen Kontakt mit Betroffenen. Sie sehen, wie immer mehr Menschen nicht über die Runden kommen, wie die steigenden Lebensmittelpreise und Fixkosten ihr knappes Budget auffressen. Wie bei den Tafeln gleichzeitig weniger Lebensmittelspenden ankommen und die Ehrenamtlichen sehen müssen, dass ihre Hilfe nicht reicht und Kundinnen und Kunden Angst haben, nicht genug abzubekommen. Alex von der Jungen Tafel Göttingen berichtet von Verteilungskämpfen und Anfeindungen gegen Ehrenamtliche, die einfach nur helfen möchten.
Tafeln sind ein freiwilliges Zusatzangebot; können Armut nur lindern, aber nicht bekämpfen. Das ist Aufgabe des Staates. Deshalb stehen die jungen Tafel-Aktiven nun hier, das Bundeskanzleramt im Rücken, und recken ihre Plakate in die Höhe. Fünf Aktivistinnen und Aktivisten der Bewegung #IchBinArmutsbetroffen schließen sich der Tafel-Jugend-Kundgebung an und fordern ebenfalls armutsfeste Regelsätze und Renten. Sie möchten einfach nur ein Leben in Würde führen, so wie es jedem Menschen zusteht.
Bei der Kundgebung trägt Alex weitere Forderungen vor, die die Tafel Jugend gemeinsam erarbeitet hat:
- Mehr Anerkennung für das Ehrenamt
- Mehr Aufklärung über Ernährungsnachhaltigkeit
- Ausbau der Tafel-Logistik
- kostenloser ÖPNV für Tafel-Kund:innen, armutsbetroffene Menschen und Ehrenamtliche
- Förderung der E-Mobilität für eine ökologische Verkehrswende bei den Tafeln
„Halten Sie Ihre Versprechen aus der Bundestagswahl“, fordert Alex Bundeskanzler Olaf Scholz am Ende seiner Rede auf.
Von Armut bis Zusatzangebote: Lernen mit der Tafel Jugend
Ein rundum abwechslungsreiches Programm hat den Kongress der Tafel Jugend geprägt. Zwischen dem ersten Tag voller Interaktion und Begegnung sowie der abschließenden öffentlichen Kundgebung lag ein ganzer Tag voller spannender und bereichernder Workshops. Die Tafel-Aktiven haben ihre Ideen, Fragen und Erfahrungen mitgebracht und sich gemeinsam in viele Tafel-relevante Themen eingearbeitet. Während drei aufeinanderfolgender Zeitfenster fanden jeweils zwei Workshops parallel statt, sodass sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer die für sie interessantesten Themen aussuchen konnten. Dort erhielten sie Raum, Neues zu lernen , aber auch die eigenen Perspektiven einzubringen.
Workshop: Armut und Ernährungsunsicherheit in Deutschland
Nilab Alokuzay-Kiesinger, Bereichsleitung Projekte und Kooperationen bei der Tafel-Akademie, schafft zu Beginn ihres Workshops Raum zum Erfahrungsaustausch über Armut. Reflektiert berichten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die Lage ihrer Tafel sowie der Tafel-Gäste. Da ist von Scham die Rede, die Menschen im ländlichen Raum davon abhält, Hilfe zu suchen. Sie erzählen von Menschen, die sich fragen: „Soll ich die Miete bezahlen oder Obst kaufen?“, aber auch von Ehrenamtlichen, die an der Belastungsgrenze arbeiten, und von Tafeln, die bereits ein Aufnahmestopp einführen mussten oder kurz davor stehen.
Die Tafel-Aktiven hören sich aufmerksam zu, bestätigen und ergänzen gegenseitig ihre Erfahrungen. Viele berichten von Kundinnen und Kunden, die Angst haben bei der Tafel gesehen zu werden. Die jungen Ehrenamtlichen formulieren einen klaren Wunsch: Sie wollen das Tabu, Hilfe zu benötigen, aufbrechen und mit allen Seiten in den Dialog kommen. „In Tafeln passiert das schon viel, aber ich würde mir das auch von der Politik wünschen“, so ein Teilnehmer.
Die persönlichen Erfahrungen und Eindrücke untermauert Nilab Alokuzay-Kiesinger mit Fakten. Sie erklärt beispielsweise, dass die Armutsquote in Deutschland 2021 bei 16,6 Prozent lag und somit 13,8 Millionen Menschen von Armut bedroht oder betroffen sind. Besonders erschreckend: Jedes fünfte Kind ist in Deutschland von Armut gefährdet.
Armut kann dramatische Folgen haben. Dazu zählt auch Ernährungsunsicherheit: Menschen haben beispielsweise wegen zu wenig Geld keinen stabilen Zugang zu ausreichend Lebensmitteln, die ihren Nährstoffbedarf decken. Auch in Deutschland ist deshalb eine armutsbedingte Mangelernährung bei einkommensschwachen Gruppen möglich. Die derzeitigen Regelsätze von Arbeitslosengeld II und Grundsicherung im Alter reichen für eine gesundheitsfördernde Ernährung oft nicht aus.
Tafeln unterstützen hier bereits mit Projekten wie der Power Kiste, die Kindern ein gesundes Frühstück in der Schule ermöglicht. Sie bieten zum Teil günstige Mittagstische an oder beliefern Einrichtungen für Seniorinnen und Senioren mit geretteten Lebensmitteln. Darauf bauen die Vorschläge auf, die die Workshop-Teilnehmerinnen und Teilnehmer erarbeiteten. Sie schlagen vor, dass Kinder in allen Schulen und Kitas gesundes Essen kostenlos erhalten. Vor allem sollen aber höhere Regelsätze, Renten und Löhne Gerechtigkeit schaffen. Auch Aufklärungsarbeit im Bereich Ernährungsarmut, Mindesthaltbarkeitsdatum und Lebensmittelverschwendung fordern die jungen Ehrenamtlichen.
Workshop: Die Tafel-Arbeit im internationalen Kontext
Nicht nur in Deutschland engagieren sich Tafeln gegen Lebensmittel-unsicherheit – auch in vielen anderen europäischen Ländern sowie in Nord- und Südamerika retten sogenannte Food Banks Lebensmittel und geben sie weiter.
Das zeigte Dr. Kristine Görgen, Bereichsleitung Strategie und Grundsatzfragen bei der Tafel Deutschland, in ihrem Workshop. Sie stellte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die European Food Banks Federation, kurz FEBA, vor, in der auch Tafel Deutschland Mitglied ist. Die einzelnen Mitgliedsorganisationen der FEBA arbeiten teils sehr unterschiedlich: Da ist beispielsweise die Wiener Tafel, die nach deutschem Vorbild gegründet wurde. In Irland hingegen gibt es FoodCloud. Überrascht lernen die Workshop-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer, dass es sich um einen digitalen Dienstleister handelt, der Spenden an gemeinnützige Organisation vermittelt. Die spendenden Unternehmen bezahlen für den Service.
Die Tafel-Aktiven interessieren sich im Workshop besonders für die internationalen Spendengesetze, denn in Deutschland fehlen gesetzliche Regelungen. Sie lernen, dass Frankreich beispielsweise gezielt die Logistik zur Lebensmittelrettung unterstützt, während Italien wohltätige Einrichtungen steuerlich begünstigt. Dass ein Gesetz Lebensmittelverschwendung nicht über Nacht beseitigt, zeigt das Beispiel Frankreich, wie Kristine Görgen erklärt: „Zu Beginn war einiges im Gesetz nicht genau definiert. Das hat Probleme bei der Umsetzung bedeutet, weil es beispielsweise nur hieß, dass Läden ab einer gewissen Größe spenden müssen, aber nicht wie regelmäßig.“ Einige Handelsunternehmen überschütteten Lebensmittel zudem mit Chlor, um das Gesetz umgehen zu können. „In Deutschland werden wir das Problem voraussichtlich nicht haben, da bereits gute Beziehungen zwischen den Lebensmittelretterinnen und -rettern bestehen“, schätzt sie ein.
Mit ihrem Blick über die Tafel-Grenzen hat Kristine Görgen bei vielen der anwesenden Engagierten einen Wunsch geweckt: Sie möchten in einem internationalen Austausch Tafeln und Lebensmittelbanken in anderen Ländern kennenlernen.
Workshop: Zusatzangebote und Vernetzung in meiner Tafel
Aus Nordhorn an der niederländischen Grenze ist das Ehepaar Vox angereist. Uschi und Wolfgang Vox sind beide 65 Jahre alt und seit 19 Jahren bei der Tafel aktiv. Uschi engagiert sich als Geschäftsführerin und Wolfgang als Vorsitzender der Tafel Nordhorn. „Wer bei uns im Vorstand ist, muss auch aktiv in der Tafel arbeiten“, erklärt Wolfgang Vox.
Beide geben Einblicke in die Zusatzangebote ihrer Tafel. Mit jeder PowerPoint-Slide werden die Augen der Zuhörerinnen und Zuhörer größer, denn die Tafel Nordhorn bietet ergänzend zur Lebensmittelausgabe gefühlt alles an: ein Café, einen Tafel-Garten, Sozialkaufhäuser, Teilhabeangebote für Kinder, Energie- und Sozialberatungen und vieles mehr.
Ehepaar Vox gibt einen umfassenden Einblick und verrät sein Geheimnis: lokale Kooperationen und eine aktive Vernetzung mit Unternehmen und Förderern aus der Region. Für ihr Tafel-Café erhielten sie so beispielsweise Fliesen, Teppich und Sanitäranlagen fast kostenlos.
Workshop: Finanzierung auf lokaler und regionaler Ebene
„Ich möchte wissen, wie ich für meine Tafel etwas bewegen kann“, beschreibt eine Teilnehmerin zu Beginn des Workshop ihre Motivation für die Teilnahme. Aber Moment: Fast alle Tafel-Helferinnen und -Helfer arbeiten ehrenamtlich und die Lebensmittel erhalten Tafeln als Spende. Wofür benötigen wir dann überhaupt Geld? Mit der Frage leitete Nilab Alokuzay-Kiesinger, Bereichsleitung Projekte und Kooperationen bei der Tafel-Akademie, ihren Workshop zur Finanzierung ein. Und sie erhielt schnell Antworten: Aus ihrer eigenen Tafel-Erfahrung heraus nannten die Ehrenamtlichen unter anderem Projektkosten, neue Anschaffungen wie Kühlfahrzeuge und ganz wichtig: Betriebskosten. Besonders für Energie und Sprit sind die Preise in letzter Zeit so stark gestiegen, dass der Bedarf an Spenden- und Fördergeldern bei den Tafeln aktuell so hoch wie nie zuvor ist.
Im Workshops erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wertvolle Tipps, die sie direkt in ihrer Tafel anwenden können. Zunächst sollte sich die Tafel bewusst machen, wofür sie wie viel Geld benötigt. Eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit hilft anschließend dabei, auf das Vorhaben aufmerksam zu machen. Nilab Alokuzay-Kiesinger betont ebenfalls, wie wichtig Vernetzung ist: Tafeln sollten Kontakte zu anderen Vereinen und sozialen Einrichtungen, aber auch zu Politik und Wirtschaft aufbauen und pflegen. Spenderinnen und Spender nicht vergessen: Ein Dank per Brief oder E-Mail sowie transparente Informationen zur Verwendung der Spende und zur Entwicklung des Projekts festigen die Beziehung und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die Person erneut unterstützen möchte.
Neben Spenden aus persönlichen Kontakten, Veranstaltungen oder Spendenaufrufen können sich Tafeln über Förderprogramme auf EU-, Bundes- oder Länderebene informieren und bei passenden Programmen einen Antrag stellen. Auch Angebote wie die Lidl-Pfandspende unterstützen die Tafel-Arbeit.
Kreativworkshop: Wir machen uns bereit zum Tellerprotest!
Wofür stehen wir? Warum engagieren wir uns bei der Tafel? Was möchten wir mit unserem Engagement erreichen? Bevor die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Kreativworkshop ihre Botschaften und Forderungen mit Stift und Papier festhielten, sprachen sie in kleinen Gruppen über ihren Zugang zum Thema Armut und über ihr Ehrenamt.
In den angeregten Gesprächen konnten die jungen Tafel-Aktiven mal ernst, mal fröhlich ihre Gedanken sortieren. Beste Voraussetzung, um Plakate und Teller ausdrucksstark für den Tellerprotest und die Kundgebung im Regierungsviertel vorzubereiten!
Workshop: Nachwuchsarbeit für meine Tafel
Sebastian Prill von der Göttinger Tafel wiederholt sich mehrmals: „Junge Leute haben Bock.“ Sie engagieren sich häufiger als ältere – besonders als Schülerinnen und Schüler im Alter von etwa 14 bis 17 Jahren. Dann absolvieren sie Schul- und Sozialpraktika oder arbeiten ehrenamtlich in zeitlich begrenzten Projekten mit. Ähnlich sieht es bei Studentinnen und Studenten aus: Jugendliche und junge Erwachsene möchten sich einbringen, ihr Engagement ist jedoch kürzer. Nur noch selten bleiben sie über Jahre oder sogar ein Leben lang bei derselben Organisation.
Hier setzt Sebastian Prill in seinem Workshop an: Für Tafeln, die Unterstützung suchen, ist das eine Herausforderung, da hier eher ein längeres Engagement gefragt ist. Eine Stunde pro Monat nachmittags Gemüse sortieren? Eher unpraktisch im Tafel-Alltag. Tafeln müssen daher kürzere Angebote schaffen, beispielsweise in der Projektarbeit, schlägt der Mitbegründer der ersten Tafel-Jugendgruppe vor.
Wie wichtig persönliche Kontakte bei der Nachwuchsgewinnung sind, macht Sebastian Prill den Teilnehmerinnen und Teilnehmern deutlich, indem er sie fragt, wie sie selbst zur Tafel gekommen sind: Mein Opa ist Fahrer, meine Oma sortiert, ich habe ein Sozialpraktikum oder einen Bundesfreiwilligendienst gemacht, meine Freunde haben mich zum Mitmachen motiviert. Wer jemanden kennt, der oder die sich bereits in einer Tafel engagiert, schaut eher mal selbst vorbei – und merkt dann im Idealfall schnell, wie bereichernd die Tafel-Arbeit sein kann.
Würden die jungen Tafel-Aktiven erneut an einer ähnlichen Veranstaltung wie dem Kongress der Tafel Jugend teilnehmen wollen? Das beantworteten sie am Ende mit einem einstimmigen und enthusiastischen Ja. Wir freuen uns auf weitere Begegnungen und eine inspirierende Zusammenarbeit, die die Tafel-Bewegung voranbringt!
Fotos: Oliver Vaccaro, Illustrationen: studio animanova