Fotos: Reiner Pfisterer
Bei der Tafel Regensburg fehlen Freiwillige, gleichzeitig wünschen sich geflüchtete Tafel-Kundinnen und -Kunden eine Aufgabe. Tafel-Leiterin Jonah Lindinger bringt seit letztem Jahr beide Seiten zusammen – unterstützt von der Stadt Regensburg.
Konzentriert wischen Ali und Mohammad welke Salatreste, Brotkrümel und Spuren matschiger Paprikaschoten von den schwarzen Kisten. Zuvor haben andere Engagierte darin im umliegenden Einzelhandel gespendete Lebensmittel gesammelt und zur Tafel Regensburg gefahren. Nun gehen die Klappkisten stapelweise durch die Hände der beiden nach Deutschland geflüchteten Männer, die sie für die nächste Abholtour reinigen.


Zwischen 3 und 15 Asylbewerberinnen und -bewerber unterstützen die Tafel Regensburg an jedem Ausgabetag. An diesem Dienstag sind es vier – neben Mohammad und Ali sortieren heute zwei weitere Männer gespendete Fertiggerichte und bereiten sie für die Ausgabe an die Tafel-Kundschaft vor.
Die Geflüchteten sind Teil eines Projektes, das Jonah Lindinger vor einem Jahr mit der Stadt Regensburg initiiert hat. Die erste Vorsitzende der Tafel Regensburg und stellvertretende Vorsitzende der Tafel Deutschland suchte für ihre Tafel Unterstützung: „Wir waren mal wieder in einer Notsituation und haben helfende Hände gebraucht.“
Gleichzeitig hörte sie immer wieder von Asylbewerberinnen und -bewerbern aus der Tafel-Kundschaft, dass sie sich einbringen wollten, aber nicht konnten. „Sie würden gerne arbeiten, aber haben keine Möglichkeit, weil ihnen Arbeitserlaubnis und Aufenthaltsstatus fehlen. Viele bekommen auch keine Plätze in den Deutschkursen und haben eigentlich den ganzen Tag nichts zu tun. Ich habe auch mitbekommen, dass die Asylbewerberinnen und -bewerber von unserem regionalen Leben ausgeschlossen sind.“



Helfen und etwas dazuverdienen
Bei der Tafel fehlten Engagierte, unter den Asylsuchenden wollten viele helfen – Jonah Lindinger wandte sich direkt an die Stadtverwaltung mit einem Vorschlag: Lasst uns einen Weg finden, wie wir beides verbinden können. Wir möchten Asylbewerberinnen und -bewerber in Regensburg ansprechen und ihnen ermöglichen, sich bei der Tafel einzubringen.

„Die Sozialbürgermeisterin hat mich in dem Punkt bekräftigt. Innerhalb einer Woche haben sich verschiedene Ämter zusammengeschlossen und mir einen Gesprächstermin angeboten“, erinnert sich Jonah Lindinger. „Am nächsten Tag konnten wir anfangen. Es wird immer gesagt, dass bei Behörden alles lange dauert. Ich kann jetzt vom Gegenteil berichten.“
Seitdem können sich Asylbewerberinnen und -bewerber in der Tafel engagieren und erhalten für jede Stunde einen Euro von der Kommune. Im Gegensatz zu sogenannten Ein-Euro-Jobs des Jobcenters haben die Geflüchteten keine festen Arbeitstage. Sie entscheiden selbst, wie oft sie helfen möchten und erhalten für jede geleistete Stunde einen Euro zusätzlich zu den staatlichen Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
Auf Augenhöhe zusammenarbeiten
Zu Beginn des Ausgabetages teilt die Teamleitung alle Engagierten ein, egal, ob sie Ehrenamtliche, Bundesfreiwillige oder Geflüchtete aus dem Projekt mit der Stadt Regensburg sind. Lebensmittel ausladen, sortieren, verteilen oder Kisten reinigen: Die Asylbewerberinnen und -bewerber helfen wie alle anderen Tafel-Aktiven in allen Bereichen der Tafel Regensburg.
Was würde Jonah Lindinger anderen Tafeln empfehlen, die Interesse haben, mit Asylbewerberinnen und -bewerbern in ihrer Stadt zusammenzuarbeiten? „Einfach ausprobieren!“
Konflikte spricht die Tafel-Leiterin direkt an: „In manchen Kulturen haben Frauen nicht den gleichen Stellenwert wie hier in Deutschland, das haben wir auch bei uns in der Tafel erlebt. Wir erklären das den Menschen. Wenn wir nicht auf Augenhöhe zusammenarbeiten können, passt das nicht und wir müssen uns trennen. Das gilt für alle, auch für die deutschen Teammitglieder. Es funktioniert eben nicht mit allen Menschen, aber das ist im Ehrenamt das Gleiche. Wir freuen uns über alle, die eine Bereicherung für die Teams sind“, sagt Jonah Lindinger.
Engagement Seite an Seite bei der Tafel Regensburg

Wer an diesem Dienstag durch die Tafel Regensburg läuft, erlebt eine eingespielte Gruppe. Auf den Hof fahren immer wieder Fahrzeuge. Kaum öffnet der Fahrer die Hecktür, eilen Engagierte auf das Fahrzeug zu und helfen, die vollen Kisten auszuladen und in den Vorraum zu transportieren. Dort kontrollieren weitere Ehrenamtliche die Lebensmittel, entsorgen Verdorbenes und sortieren den guten Rest nach Warengruppen in Kisten ein. Ist eine Kiste voll, tragen die Tafel-Aktiven sie in den Ausgaberaum.
Dort stehen bereits die ersten Tafel-Kundinnen und -Kunden um die U-förmig angeordneten Tische. Zuerst überreichen ihnen die Freiwilligen haltbare Lebensmittel wie Konserven oder Marmelade. Nach Gemüse und Obst gibt es Fleisch und Milchprodukte aus der Kühlung, bevor zum Schluss eine Helferin Backwaren verteilt. Am Ausgang kann sich jeder Gast und jede Gästin noch einen Blumenstrauß aussuchen.





Bei den Tafel-Aktiven stehen Menschen im Rentenalter, erwerbslose Menschen und junge Bundesfreiwillige neben Geflüchteten aus der Ukraine und anderen Kriegsgebieten. Eine Studentin leitet die Ausgabe, in der auch eine Helferin im Rollstuhl der Kundschaft Lebensmittel auf die Theke legt. Gemeinsam sortieren und verteilen sie gerettete Lebensmittel an armutsbetroffene Menschen. Die Stimmung ist entspannt, viele unterhalten sich angeregt während der Arbeit. Gibt es eine Sprachbarriere, wechseln die Helferinnen und Helfer ins Englische oder nutzen eine Übersetzungsapp auf ihren Smartphones.
Auf das Engagement ihres vielfältigen Teams ist Jonah Lindinger stolz: „Wir starten gemeinsam um 8:30 Uhr mit den Vorbereitungen für die Ausgabe. Die Asylbewerberinnen und -bewerber wissen, dass sie dann wie alle anderen da sein sollen. Sie sind Teil unseres Teams.“