Food-Bloggerin mit Lebensmitteln von der Tafel

Ofengemüse von Henriette Engler

© Henriette Egler 

Henriette Egler ist eine junge Mutter von drei kleinen Kindern, eine sehr erfolgreiche Food-Bloggerin und Tafel-Kundin. Mit den Lebensmitteln, die sie von der Harzer Tafel in Quedlinburg erhält, zaubert sie die kreative Gerichte und präsentiert diese auf ihrem Blog.

Henriette Engler

Liebe Frau Egler, nicht jedem ist der Begriff Food-Blogger geläufig. Was sieht das Tagewerk einer Food-Bloggerin vor?

Mein Food-Blog ist ein virtuelles Kochbuch, auf dem man die verschiedensten Rezepte findet. Ich verfasse etwa 6 Rezeptbeiträge pro Monat und stelle sie dort zum Nachkochen online. Die Besonderheit bei meinem Blog ist, dass ich die Gerichte aus Lebensmitteln zubereite, die ich größtenteils von der Harzer Tafel in Quedlinburg bekomme. Alle zwei Wochen gehe ich dorthin. Ich weiß vorher nie, was in der Tüte sein wird, die ich mit nach Hause nehme. Es ist jedes Mal anders und überraschend und setzt meine Kreativität beim Kochen frei. Die Lebensmittel von der Tafel kombiniere ich dann mit Lebensmitteln, die ich zu Hause habe und frisch zugekauften Zutaten. Das was ich von der Harzer Tafel bekomme, ist ja nur als ergänzende Unterstützung gedacht und nicht als Vollverpflegung.

Wie sind Sie zum Kochen gekommen? Ernährungsbildung wird ja in den Schulen bislang nicht unterrichtet und die Kulturtechnik des Kochens wird häufig nicht mehr in den Familien weitergegeben.

Zu Hause kochte bei uns meine Mutter und von ihr habe ich einige Rezepte gelernt. Als ich auszog, habe ich begonnen, mit Fix-Tüten zu experimentieren. Zucchini schnippeln und Tomaten schneiden, dann mit den Tüten die Würze reinbringen. Zum Einstieg ist das gut. Es gab auch schon mal Chips oder Warmgemachtes aus der Dose, da bin ich ganz ehrlich. Auf die Dauer waren mir die Fertigtüten aber zu teuer, deshalb begann ich, selbst zu würzen. Ich glaube, dass die meisten Menschen, die nicht so gut kochen können, vor dem Würzen Angst haben und befürchten, dass es nicht gut schmecken wird, zu extrem oder zu lasch wird. Andere Menschen kochen nicht, weil sie denken, sie bräuchten zum Würzen ganz exotische Zutaten, um Geschmack reinzukriegen. Dabei reicht in den meisten Fällen Salz und Pfeffer aus. Als ich begann, mit den Tafel-Tüten zu kochen, hat sich mein Repertoire extrem erweitert. Bevor ich zur Tafel ging, habe ich etwa 25 Gerichte regelmäßig auf den Tisch gebracht.

Und wie viele sind es aktuell?

Ich müsste mal im Blog nachgucken, wie viele unterschiedliche Rezepte ich gekocht habe. Ich schätze, es sind etwa 500 Rezepte. Und nicht alles was ich koche, kommt auch in den Blog.

Wo lassen Sie sich inspirieren?

Ich durchforste das Internet nach Rezepten und habe eine ziemlich umfassende Kochbuchsammlung, die ich regelmäßig zu Rate ziehe. Viele Rezepte wandele ich ab. Man muss sich nicht sklavisch an Zutaten und Messangaben halten. Es macht viel mehr Spaß, zu kombinieren und Lebensmittel auszutauschen. Ein Gericht kann auch hervorragend schmecken mit 4 statt wie angegeben 5 Möhren. Eine Pilzpfanne kann man auch mit Milch statt mit Crème fraîche zubereiten. Einfach ausprobieren und verwenden, was im Kühlschrank ist.

Kochen Sie gemeinsam mit Ihren Kindern?

Die Kinder sind oft in der Küche dabei und helfen mit. Mein Sohn beispielsweise liebt meine Jagdwurst-Tomaten-Sauce und schneidet gern die Wurst dafür. Die Kleinste (2 Jahre) versucht mit großem Enthusiasmus, das Gemüse zu schnippeln, und gibt es dann auch in die Pfannen bzw. Töpfe. Sie ist momentan am begeistertsten, was das Kochen anbelangt und ich hoffe, ihre Begeisterung hält an. Ich zeige meinen Kindern, wie es geht, und freue mich, wenn sie mitmachen.

Einige Ihrer Rezeptideen findet man auch in der aktuellen Wanderausstellung „Love the waste – verteilen statt verschwenden“. Wie wichtig ist Ihnen das Thema Vermeidung von Lebensmittelverschwendung?

Ich hoffe, dass die Rezepte fleißig nachgekocht werden – zum Beispiel finden sich dort die Bandnudeln mit Ratatouille-Soße, eines meiner absoluten Lieblingsgerichte. Wenn ich nicht mehr weiter weiß, was ich mit den Zucchini und der alternden Aubergine anfangen soll, dann sind Ratatouille-Gerichte die Rettung. Alles schnippeln, in den Topf und pürieren, das schmeckt super. Eine andere tolle Sache ist Ofengemüse – da kann man nahezu alles an Gemüse zusammenwerfen, im Ofen backen und es schmeckt eigentlich immer! Mit meinem Blog, meinen Rezepten und vor allem meinem Instagram-Kanal versuche ich, das Thema Verschwendung immer wieder in den Fokus zu rücken. Es wird viel zu viel weggeworfen und ich habe das Gefühl, durch mein lebendes Beispiel wirklich Menschen zu erreichen. Ich zeige oft, wie ich „überlagerte“ Lebensmittel verarbeite – und trotzdem lebe ich noch. Das brachte schon viele meiner Follower zum Nach- und Umdenken.

Sie haben 3 kleine Kinder. Wie vermitteln Sie Ihren Kindern, dass Lebensmittel auf den Teller und nicht in die Tonne gehören?

Der Kühlschrank ist häufig sehr voll, weil ich so ungern etwas wegwerfe. Vor kurzem habe ich unser Joghurtfach aufgeräumt, da hat sich eine Kiste Joghurt angesammelt, bei der das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) abgelaufen war. Wegwerfen wollte ich sie nicht. Stattdessen habe ich eine kleine Aktion daraus gemacht und jeden Tag Müsli mit Joghurt zubereitet. Der älteste Joghurt, den ich dabei gegessen habe, lag 9 Monate über dem MHD. Davon habe ich Fotos gemacht und bei Instagram in den Storys gepostet. Es gab viele Reaktionen und die Leser haben gefragt, ob ich das wirklich noch gegessen habe. Habe ich. Er war richtig lecker und warum hätte ich ihn wegwerfen sollen, wo er doch ganz eindeutig noch genießbar war? Mit meinem Partner diskutiere ich öfter, ob etwas noch gegessen wird oder nicht. Wir haben die Regel, dass er den Kühlschrank nicht ohne mein Beisein aufräumt, sonst würde wohl einiges wegfliegen (lacht). Den Kindern habe ich bisher noch gar nicht erzählt, dass es so etwas wie ein MHD überhaupt gibt.

Die Rückmeldung, dass jemand einen Joghurt mit 9 Monaten über MHD gegessen hat, ist ungewöhnlich.

Die Tafel Deutschland hat ja das MHD-Poster veröffentlicht, das zeigt, wie lange Lebensmittel nach Ablauf des MHD noch genießbar sind. Nach meinem Selbsttest hält sich Joghurt noch viel länger als darauf angegeben. Euer Poster ist toll, denn es regt die Menschen zum Nachdenken über das MHD an. Ich habe es auch gleich auf meinen Seiten gepostet.

Haben Sie schon mal daran gedacht, ein gedrucktes Kochbuch herauszugeben? Das Interesse an Ihren Gerichten ist ja außerordentlich.

Die Themen Resteküche und Resteverwertung sind total im Trend. Viele meiner Follower fragen, ob es die Rezepte auch als Kochbuch gibt. Das Interesse ist groß. Bislang fehlt allerdings die Anfrage eines Verlags, denn ohne geht es nicht.

Wie geht es bei Ihnen beruflich weiter? Werden Sie Ihre Bloggerinnen-Karriere weiter ausbauen?

In meinem Blog möchte ich zukünftig den Fokus noch mehr auf das Thema Nachhaltigkeit legen. Verwertung und Aufklärung zum MHD sind mir auch besondere Anliegen. Und ich möchte noch häufiger zeigen, wie man Lebensmittel richtig lagert und was man zum Beispiel alles aus altem Brot kochen kann. Mir schwirren tausend Ideen im Kopf herum, jetzt muss ich nur noch die Zeit finden, sie umzusetzen.

Das Interview erschien im Tafel-Magazin 2018.

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