Alle Fotos: Andreas Henn für DIE ZEIT
„Wir nehmen diesen Preis stellvertretend für eine Gemeinschaft von 60.000 Helferinnen und Helfern in 963 Tafeln entgegen. Ihnen gehört dieser Preis.“ So begann Jochen Brühl, Vorsitzender der Tafel Deutschland, seine Dankesrede zum Marion-Dönhoff-Preis für internationale Verständigung und Versöhnung. Der wurde der Tafel-Bewegung am 4. Dezember 2022 im Hamburger Schauspielhaus verliehen. Ein wichtiges Zeichen der Wertschätzung für die Arbeit der Tafel-Aktiven, die in der anhaltenden Krise besonders gefordert sind.
Die Tafeln helfen dort, wo es am dringendsten ist. […] In diesem Winter dürften die Herausforderungen angesichts von Inflation und dramatisch steigenden Energiepreisen weiter wachsen. Hinzu kommt das durch Russlands Angriff auf die Ukraine verursachte Leid. Die Tafeln haben vielen Geflüchteten mit Lebensmitteln direkt geholfen und die European Food Banks Federation mit Spenden unterstützt. Für das großartige bürgerschaftliche Engagement verdienen sie unser aller Dank und Anerkennung.
Auszug aus der Begründung der Jury für die Vergabe des Marion-Dönhoff-Förderpreises 2022
Der Marion-Dönhoff-Förderpreis ist mit 20.000 Euro dotiert. Mit dem Geld wird Tafel Deutschland die Arbeit der Tafeln weiterhin unterstützen und beispielsweise Betriebskosten fördern. „Wir haben ermittelt, dass sich die durchschnittlichen Betriebskosten einer Tafel in der aktuellen Zeit auf 90.000 bis 100.000 Euro pro Jahr belaufen“, erklärt Willi Schmid, der als Schatzmeister der Tafel Deutschland die Zahlen im Blick behält.
Marion-Dönhoff-Förderpreis 2022: Das war die Verleihung
„Ich habe großen Respekt vor Ihrem Engagement“, erklärte Katharina Fegebank, zweite Bürgermeisterin von Hamburg, in ihrer Laudatio. Sie würdigte den Einsatz der Tafeln für armutsbetroffene Menschen: „Wer zu einer Ausgabe der Tafeln kommt, erhält nicht nur Lebensmittel, sondern auch ein offenes Ohr. Für viele Menschen sind die Tafeln eine wichtige soziale Anlaufstelle.“ Gleichzeitig betonte sie die Verantwortung der Politik, für soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Abschließend dankte die Laudatorin den Tafel-Helferinnen und -Helfern dafür, dass sie „Hoffnung verbreiten und [ihren Kundinnen und Kunden] ein bisschen Stabilität“ geben.
Stellvertretend für die bundesweit 60.000 Tafel-Helferinnen und -Helfer nahmen die Vorstandsmitglieder Jochen Brühl, Eva Fischer und Willi Schmid sowie die Geschäftsführerin, Sirkka Jendis, den Marion-Dönhoff-Förderpreis 2022 für die Tafel Deutschland entgegen.
In einem Film und anschließend persönlich auf der Bühne zeigten sich die aktuellen Herausforderungen, mit denen die Tafeln kämpfen. Die Armut im Land steigt immer weiter, Menschen, die nie damit gerechnet haben, kommen nun zur Tafel. Doch weil in vielen Orten weniger Lebensmittel gespendet werden, stoßen viele Tafeln seit Monaten an ihre Grenzen. Bei armutsbetroffenen Menschen kann das extreme Existenzängste auslösen, wenn die erhoffte Hilfe nicht möglich ist. Auch die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer belastet die Situation. „Die Menschen bei den Tafeln wollen helfen, sie wollen niemanden nach Hause schicken. Aber wenn nicht genug Lebensmittel da sind, wird das schwer. Das ist extrem frustrierend für die Ehrenamtlichen, die den Letzten in der Schlange sagen müssen: Wir haben leider nichts mehr für euch“, erklärt Eva Fischer, stellvertretende Vorsitzende der Tafel Deutschland.
Im Gespräch mit Moderatorin Julia-Niharika Sen betonte Jochen Brühl unter deutlichem Applaus, dass die Tafeln eine Bürgerbewegung seien: „Wir sind kein Teil des deutschen Sozialsystems. Es ist Aufgabe der Politik, nicht der Tafel, Menschen zu versorgen.“
Was braucht es für ein Umdenken und eine gezieltere Unterstützung armutsbetroffener Menschen? Sirkka Jendis forderte eine soziale Zeitenwende: „Wir brauchen ein anderes Menschenbild, das armutsbetroffene Menschen wahrnimmt und unterstützt. Viele unserer Kundinnen und Kunden arbeiten und müssen trotzdem zu den Tafeln kommen.“
Die Dankesrede von Jochen Brühl könnt ihr euch auf der Website der ZEIT anschauen.
Im Namen der Tafel-Bewegung bedanken wir uns von Herzen für die Auszeichnung und besonders für die Wertschätzung, die der Tafel-Arbeit und dem Einsatz der vielen Tafel-Engagierten entgegengebracht wurde.
DIE ZEIT, die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius sowie die Marion-Dönhoff-Stiftung haben den Preis in diesem Jahr zum 20. Mal vergeben. Mit dem Hauptpreis wurde dieses Jahr die beeindruckende Irina Scherbakowa, Mitgründerin von „Memorial“, für ihren mutigen Einsatz für die Menschenrechte ausgezeichnet. Wir gratulieren ihr herzlich!