Alle Fotos: Philip Wilson
Altersarmut bedeutet für viele Betroffene Einsamkeit. Mit „Tafel stärkt Senior:innen“ fördert Tafel Deutschland deshalb Projekte in Tafeln, die älteren Menschen soziale Teilhabe ermöglichen und sie aus der Isolation holen. Wie das funktionieren kann, zeigt das generationsübergreifende Basteln in der Tafel Hoyerswerda in Sachsen.
Oma Gisela beugt sich konzentriert über die Heißklebepistole und leimt sorgfältig ein Stück rot gepunkteten Stoff zu einer kleinen Mütze für ihre Wichtelfigur zusammen. Dabei schaut ihr die neunjährige Judy gespannt über die Schulter. Sie reicht der Rentnerin eine kleine Tüte mit Schneeflocken aus Holz: „Davon kannst du eine auf den Stoff kleben, das sieht voll schön aus!“
In den Räumen der Tafel Hoyerswerda treffen sich an diesem herbstlichen Vormittag Rentnerinnen und Kinder, um gemeinsam weihnachtliche Dekorationen zu basteln. Madlen Krenz, hauptamtliche Leiterin der Tafel Hoyerswerda, hat das Projekt organisiert und Menschen aus dem Umfeld der Tafel eingeladen. „Wir kommen hier mit mehreren Generationen zusammen“, freut sie sich über die rege Teilnahme. „Basteln ist gut für die Fingerfertigkeit und hilft auch geistig ein bisschen.“
Projekte für 1.500 Seniorinnen und Senioren aus ganz Deutschland
Über den Bereich „Tafel stärkt Senior:innen“ fördert Tafel Deutschland Projekte wie das Basteln in Hoyerswerda bei Tafeln aus ganz Deutschland. Mit Stand Oktober 2023 konnte der Dachverband bereits 36 Tafel-Projekte finanziell unterstützen, die rund 1.500 Seniorinnen und Senioren erreicht haben. Weitere sind geplant. Zur Weihnachtszeit gibt es eine zusätzliche Förderung für Weihnachtsfeiern und andere saisonale Projekte.
Auch in Hoyerswerda weihnachtet es: Bunte Stoffe, Glöckchen und Tannenzapfen liegen verstreut auf den Tischen. Judy und ihre zehnjährige Freundin Lisa basteln nicht nur selbst fleißig damit, sie erklären den älteren Damen auch die einzelnen Arbeitsschritte vom leeren Glas bis zum leuchtenden Wichtel. „Die Mädels sind mit Feuereifer dabei und helfen ihren Ersatz-Omis, das ist richtig schön“, strahlt Madlen Krenz.
Für den Körper des Wichtels pinseln die Teilnehmerinnen ein kleines Glas großzügig mit Leim ein und wälzen es dann in Kunstschnee, bis die gesamte Oberfläche mit der weiß glitzernden Masse bedeckt ist. „Ich habe zuhause Magnesiumflocken für mein Knie, die sehen genauso aus“, lacht Oma Gisela.
Mütze und Ärmel des Wichtels schneidet sie aus einem flauschigen Stoff aus, die Hände aus Moosgummi. Mit der Heißklebepistole klebt sie Mütze, Bart und eine Holzperle als Nase fest.
„Basteln bringt mich durch die Einsamkeit“
Zum Abschluss legt die begeisterte Bastlerin eine batteriebetriebene LED-Lichterkette in den Glaskörper und schraubt den Deckel mit der angeklebten Wichtelmütze darauf. Der fertige Wichtel leuchtet nun stimmungsvoll und Oma Gisela lächelt begeistert. Sie gestaltet an diesem Vormittag zwei Wichtel, die sie ihren beiden Töchtern zu Weihnachten schenken möchte. „Basteln ist meine Welt“, erklärt die 83-Jährige. „Mein letzter Partner ist vor zwei Jahren gestorben. Basteln bringt mich durch die Einsamkeit.“
In Gemeinschaft Basteln, Lernen, Essen
Genau das möchte „Tafel stärkt Senior:innen“ mit den geförderten Projekten erreichen: Rentnerinnen und Rentner, die von Armut bedroht oder betroffen sind, sollen mit anderen Menschen verschiedenen Freizeitaktivitäten nachgehen, sich austauschen und am sozialen Leben teilhaben. So veranstaltete beispielsweise die Tafel Wanzleben ein wöchentliches Handarbeitscafé und Gymnastik.
Die Castroper Tafel organisierte mit dem „Urlaub ohne Koffer“ ein dreitägiges Freizeitangebot für Seniorinnen und Senioren, die nicht mehr verreisen können. Mit Musik, Unterhaltung und Vollverpflegung erhielten die Teilnehmenden einen Einblick in die Kultur der europäischen Partnerstädte von Castrop-Rauxel und erlebten gemeinsam eine bereichernde Zeit. Ein Auto holte sie vormittags zuhause ab und brachte sie abends zurück.
Projekte nach der Pandemie: eine große Herausforderung
„Durch Corona ist viel weggebrochen. Wir sind immer noch dabei, unsere Angebote wieder aufzubauen“, sagt Madlen Krenz von der Tafel Hoyerswerda. „Einige unserer Tafel-Kundinnen und -Kunden sind wahrscheinlich verstorben, aber viele trauen sich nicht mehr aus dem Haus und lassen kaum noch jemanden an sich ran.“
Die Tafel-Leiterin und ihr Team setzen deshalb immer wieder neue Ideen um und schauen, welche Angebote angenommen werden. „Ich habe das Gefühl, dass Kinderprogramme leichter sind. Seniorinnen und Senioren sind nicht so einfach zu begeistern“, so Madlen Krenz. Und tatsächlich: Im Nebenraum lernt gerade eine große Gruppe Kinder begeistert, wie sie Chili sin Carne zubereiten kann. „Ab nächster Woche kochen wir mit Erwachsenen. Ich bin gespannt, wie viele mitmachen.“
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