Oberhausener Tafel stärkt Kinder und Jugendliche im Kampf gegen Armut

Drei Kinder sitzen gemeinsam über einem Tisch gebeugt

Foto: Cambrothers

Die Oberhausener Tafel hat sich mit mehreren Organisationen vernetzt, um sich gleich zwei Themen zu widmen. Einerseits will sie interkulturelle Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen fördern, um der Multikulturalität der Stadt gerecht zu werden. Andererseits bündelt sie verschiedene Angebote für armutsbetroffene Kinder und Jugendliche in einer offenen Sprechstunde. Das Projekt MOTIV (Maßnahmen zur Offenheit der Tafeln für Interkulturelles und Vielfalt) der Tafel-Akademie hat die Vernetzung ermöglicht, um Teilhabe und Interkulturalität zu fördern.

Armut im Ruhrgebiet

Das Ruhrgebiet ist das größte Ballungsgebiet Deutschlands, nirgendwo sonst stoßen so viele Menschen mit unterschiedlichen Biografien aufeinander. Einige Familien leben schon seit unzähligen Generationen hier, manche erst seit ein paar wenigen und andere wiederum sind neu hierhergezogen. Die Armut steigt in vielen Städten des Ruhrgebiets stärker als im Bundesdurchschnitt. Diese Entwicklung ist auch in Oberhausen zu beobachten. Die Oberhausener Tafel unterstützt wöchentlich bis zu 3.000 armutsbetroffene Menschen aus über 70 Nationen, darunter viele Kinder und Jugendliche.

Oberhausener Tafel stärkt Kinder und Jugendliche

Dem ehemaligen Lehrer und stellvertretenden Vorsitzenden der Oberhausener Tafel, Friedhelm Bever, liegen besonders die jüngsten Tafel-Kund:innen am Herzen. In Zusammenarbeit mit dem Projektteam von MOTIV entwickelte er eine Idee zur Vernetzung und es war ihm schnell klar, dass es sich bei dem Vorhaben um das Wohl und die Entwicklung der jungen Generation drehen soll. Der erste Projektbestandteil lag in der Förderung interkultureller Kompetenzen bei Kindern von Tafel-Kund:innen. In einer multikulturellen Stadt wie Oberhausen keine unwichtigen. Dazu kooperierte die Tafel mit dem Team von Plan B Ruhr e.V., die in der interkulturellen sozialen Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe tätig sind.

Interkulturelle Kompetenzen mit einem Eisberg fördern

Eisberg, der zu einem Teil unter Wasser liegt
Foto: Pixabay/Naomi Booth

Mit einem Eisberg? Das fragten sich auch die rund 20 teilnehmenden Kinder und Jugendlichen, als sie das Bild eines Eisberges sahen. Sie konnten es anfangs nicht ganz mit ihren Vorstellungen von Unterschieden und Ausgrenzung zusammenfügen. Stück für Stück lüftete sich das Geheimnis. Die Spitze des Eisbergs symbolisiert das für uns Sichtbare. Haarfarbe, Kopftuch, Nase, Augen, Kleidung, Narben – Äußerlichkeiten, die kaum Rückschlüsse auf das Wesen einer Person zulassen. „Wofür interessiert ihr euch? Was macht ihr gern in eurer Freizeit? Was werden Menschen über dich erfahren, wenn sie mit dir sprechen?“ Ihre Antworten schrieben die Kinder „unter die Wasseroberfläche“. Schnell stellten sie fest, dass das, was sichtbar ist, nur einen kleinen Bruchteil des Gegenübers widerspiegelt und die interessanten Dinge sowie Gemeinsamkeiten unter der Oberfläche schlummern.

Was nehmen die Kinder mit?

So wurde den Kindern klar, dass der erste Eindruck täuschen kann und man sein Gegenüber kennenlernen muss, um zu erfahren, um was für einen Menschen es sich wirklich handelt. Im Anschluss wurden ihnen filmisch Erfahrungen und Gefühlswelten von diskriminierten oder gemobbten Menschen nähergebracht. Man konnte beobachten, wie sich viele der Kinder in den Erzählungen selbst wiederfanden: „Das ist doof“ murmelte ein Junge vor sich hin, der sich zu Beginn des Workshops über alles und jede:n lustig gemacht hat. Auf die Frage, was sie aus dem heutigen Tag mitnehmen, waren sich die Kinder einig, sie wollen über niemanden vorschnell urteilen und lieber mit statt über Menschen sprechen.

Oberhausen aktiv gegen Kinder- und Jugendarmut

Die Eisberg-Metapher lässt sich auch auf den zweiten thematischen Schwerpunkt der Vernetzung in der Oberhausener Tafel anwenden: Viele Organisationen und Einrichtungen bieten Hilfsangebote für armutsbetroffene Oberhausener:innen an. Woran es jedoch mangelt, erkannte Friedhelm Bever, ist der Austausch zwischen den Organisationen und das Wissen über die Arbeit des jeweils anderen im Bereich der Kinder- und Jugendangebote. Man „sieht“ sich zwar, aber „kennt“ sich nicht – ganz wie beim Eisberg. Um hier anzusetzen, fand im Dezember ein Auftakttreffen in der Oberhausener Tafel statt. Unter dem Motto „Oberhausen aktiv gegen Kinder- und Jugendarmut“ kamen rund ein Dutzend Vertreter:innen aus Stadt und Zivilgesellschaft in der Oberhausener Tafel zusammen. Ziel des Treffens war es, einerseits zu erfahren, welche Projekte, Angebote und Ressourcen es bereits gibt und andererseits Schnittmengen und gemeinsame Potenziale zu erkennen. Manche Organisationen bieten Leseförderung oder Schulberatung an, andere wiederum unterstützen Kinder und Jugendliche in ihrer sportlichen und künstlerischen Entwicklung oder bieten Übersetzungshilfen.

Gruppe von Menschen über einen Tisch gebeugt
Foto: Fabian Cantoni

Eine offene Sprechstunde entsteht

Die Akteur:innen entwickelten zusammen das konkrete Vorhaben einer offenen Sprechstunde, in der teilnehmende Organisationen ihre Angebote den Tafel-Kund:innen vorstellen. Diese wird während der Lebensmittelausgabe in der Oberhausener Tafel stattfinden. Um die Angebote auch unter den nicht-deutschsprachigen armutsbetroffenen Menschen zu verankern, werden Dolmetscher:innen eingeladen. Gemeinsames Ziel ist es, Kindern und Jugendlichen aus Oberhausen einen besseren Start in die Zukunft zu ermöglichen.

Das Projekt „MOTIV“ unterstützt Tafeln mit verschiedenen Veranstaltungen und Maßnahmen dabei, ihr Engagement vielfaltsbewusst, teilhabestärkend und diskriminierungskritisch auszurichten. Dafür fördert es auch den Aufbau lokaler Netzwerke mit Migrant:innenorganisationen.

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