Anna-Sophia Majewska: Eine Stimme für die Jugend

Anna-Sophia Majewska hält ein selbstbeschriebenes Schild mit der Aufschrift "Engagier dich! Komm zur Tafel Jugend" in die Kamera.

Fotos: Markus Karas

Beim Bundestafeltreffen in Mannheim 2023 wurde Anna-Sophia Majewska als Jugendbeisitzerin gemeinsam mit ihrem Stellvertreter Mika Dietrich in den Vorstand der Tafel Deutschland gewählt. Über ihr Engagement bei der Tafel und ihre Wünsche für die Zukunft der Tafel Jugend berichtet die 21-Jährige im Gespräch.

Du bist schon seit einigen Jahren bei der Tafel aktiv, wie bist Du zur Tafel gekommen?

Anna-Sophia Majewska: Ich bin seit 2020 aktiv bei der Tafel, damals war ich 17 und gerade mit der Schule fertig. Da ich schon immer mal bei der Tafel mithelfen wollte, hat das gut gepasst. Ich konnte bei der Bremer Tafel ein Praktikum vor dem Studium machen und war vier Monate jeden Tag dort und habe viele Aufgabenfelder der Tafel kennengelernt.

Kanntest Du die Tafel-Arbeit vorher?

Ja, ich hatte im näheren Umfeld Menschen, die Kundinnen und Kunden bei der Tafel waren. Ich bin in Bremen Huchting zu Schule gegangen, ein Stadtteil, in dem es viele armutsbetroffene Menschen gibt. Daher war die Tafel-Arbeit kein fernes Konstrukt für mich, sondern eher etwas Alltägliches. Dass Tafeln Lebensmittel retten und diese an Menschen weitergeben, die nicht so viel haben, das hat mir von Anfang an gefallen. Dass ich später mal die Ausgabestelle in diesem Stadtteil leiten werde, damit habe ich natürlich nicht gerechnet.

Junge Tafel-Aktive aus ganz Deutschland trafen sich 2023 in Berlin zum Erfahrungsaustausch.
Du bist eine der jüngsten Tafel-Leitungen, wie kam es dazu?

Im Grunde war es ein bisschen wie ein Sprung ins kalte Wasser. Als die Dame, die die Ausgabestelle in Huchting bisher leitete, überraschend aufgehört hat, bin ich eingesprungen. Es sollte erst nur vorläufig sein bis zum Beginn des Studiums, aber dann haben mich der Betriebsleiter und der erste Vorsitzende gefragt, ob ich nicht bleiben will. Beide haben mich sehr unterstützt und auch deutlich gemacht, dass mein Studium vorgeht, besonders in den Prüfungsphasen.

Ich bin sehr froh über diese Entscheidung, auch wenn es jedes Semester ein neues Jonglieren ist, damit mein Stundenplan auch zu den Öffnungszeiten der Tafel passt. Im Grunde entscheide ich meist aus dieser Herzensperspektive. Aber ich muss auch schauen, dass die Prioritäten nicht so ganz auseinanderdriften, denn mein Studium will ich natürlich abschließen.

Was macht für Dich die Arbeit bei der Tafel aus?

Zum einen natürlich die sinnvolle Aufgabe: Lebensmittel zu retten und Menschen zu helfen. Zum anderen gab es noch keinen Tag, an dem ich nicht gerne zur Tafel gegangen bin. Ich arbeite wahnsinnig gerne in meinem Team und wir sind schon eng zusammengewachsen. Es gibt zum Glück auch wenig Fluktuation bei den Ehrenamtlichen. Die Ausgabestelle ist nicht so groß, wir unterstützen rund 300 Haushalte. Das bedeutet, dass ich neben dem Papierkram auch noch viel Kontakt zu den Kundinnen und Kunden habe. Ich kenne ihre Geschichten, das macht für mich die Arbeit aus. Das Menschliche steht im Vordergrund.

Ich hoffe, dass ich all diese Erfahrungen später auch nutzen kann, um etwas zu bewirken, also am System etwas zu verändern. Denn letztlich wäre es ja toll, wenn niemand zur Tafel gehen müsste, weil alle gut versorgt sind.

Anna-Sophia Majewska im Gesprch mit einer Tafel-Aktiven.
Was ist Dir besonders wichtig an Deinem Engagement für die Tafel?

Ich habe erst nach und nach gemerkt, was für eine große Bewegung die Tafel ist und das finde ich super. Man kann so viel mitnehmen. Neben den persönlichen Erfahrungen gibt es viel Weiterbildung und Vernetzungsmöglichkeiten. Besonders die Tafel Jugend hat mir viel Kraft gegeben, zu merken: Da sind ganz viele andere in meinem Alter mit ähnlichen Fragen und mit Antworten. Es ist also nicht nur so, dass ich mich für etwas engagiere, sondern die Tafel engagiert sich auch für mich. Das ist auch ein Grund, warum ich immer noch dabei bin und warum ich jüngere Menschen ermutigen will, sich bei der Tafel zu engagieren. Weil es sich lohnt, für alle!

Du bist Gründungsmitglied der Jungen Tafel Bremen, was hat dich dazu bewegt?

Ein besonderes Erlebnis war der Kongress der Tafel Jugend in Berlin 2022. Die vielen jungen engagierten Menschen kennenzulernen und sich zu vernetzen, das hat mir die Augen geöffnet und gezeigt, wie wichtig es ist, sich über Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam etwas zu bewegen. Es war unglaublich spannend zu hören, wie unterschiedlich die Jungen Tafeln aufgestellt sind und was sie machen. Das hat mich fasziniert. Im Oktober habe ich dann mit einer Kollegin die Junge Tafel Bremen gegründet. Wir haben direkt Werbung gemacht und sind nun rund zehn junge Leute, die sich bei der Jungen Tafel Bremen engagieren. Es ist eine gemischte Gruppe, Studierende, Auszubildende, junge Menschen, die in Vollzeit arbeiten oder ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren. Bei uns hat sich die Tafel-Arbeit so entwickelt, dass wir projektbasiert arbeiten, damit sich alle so einbringen können, wie es zeitlich für sie passt.

Was macht ihr konkret?

Unsere erste Aktion war nicht groß, hat aber viele erfreut. Wir haben einfach die Fotos, die bei einer Geschenkeaktion für Kinder zu Weihnachten gemacht wurden – mit Weihnachtsmann und in schöner Kulisse – für die Familien aufbereitet und ihnen geschenkt. Dann haben wir eine Kauf-eins-mehr-Aktion gestartet, als es immer weniger Lebensmittelspenden gab, und waren vor Ort aktiv. Unser laufendes und größtes Projekt, das wir gerade planen, ist ein klimaneutraler Lieferservice für Kunden, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zur Tafel kommen können. Wir wollen die Belieferung mit einem großen Lastenfahrrad organisieren, einem sogenannten Cargobike. Das Ganze ist aber noch in der Umsetzungsphase. Denn das Cargobike soll speziell auf die Tafel angepasst werden. Dafür brauchen wir Fördermittel, wir sind also gerade in der Antragsphase.

Warum ist Dir das Engagement junger Menschen wichtig?

Die Tafel Jugend ist die Zukunft der Tafel, darum ist es wichtig, junge Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen, an die Tafel zu binden. Wir haben bei der Bremer Tafel immer wieder Bundesfreiwilligendienstleistende, die hören aber nach dem Dienst auf und der Kontakt bricht ab. Auch Schülerinnen und Schüler, die bei uns Praktikum machen, möchte ich für die Tafel-Arbeit langfristig begeistern. Es geht mir um die Nachwuchsgewinnung, damit Tafeln auch in Zukunft weiterbestehen. Keine Tafel darf geschlossen werden, weil es keinen Nachwuchs bei den Ehrenamtlichen gibt. Für die Junge Tafel Bremen machen wir zum Beispiel bei jedem Semesterstart Werbung an der Uni. Menschen, die sich für ein Ehrenamt interessieren, kann man gut gewinnen, wenn sie in eine neue Stadt ziehen und sich neu orientieren müssen.

2023 bist Du zur Jugendbeisitzerin gewählt worden – was willst Du bewegen?

Meine zentrale Aufgabe ist es, die Anliegen der Tafel Jugend im Dachverband zu stärken und ihr Sprachrohr zu sein. Ich möchte daher die Tafel Jugend noch sichtbarer machen und sie weiter in die Strukturen der Tafel integrieren. Wir wollen die Zusammenarbeit mit den Tafeln stärken und die Tafel Jugend dort bekannter machen. Junge Engagierte möchten wir gezielter ansprechen und vernetzen und damit das zentrale Thema der Nachwuchsgewinnung fördern. Dazu gehört auch, das Netzwerk der Tafel Jugend auszubauen, damit wir noch besser voneinander lernen können.

Ein anderes Anliegen ist, dass auch in den Landesverbänden Jugendbeisitze eingerichtet werden. Bisher gibt es das nur in Niedersachsen. Viele Tafeln haben eine aktive und engagierte Tafel Jugend, diese sollten auf Landesebene sichtbarer werden, das möchte ich aktiv mit anstoßen. Bei allen Ideen ist mir und der Tafel Jugend wichtig, dass wir Tafel-Strukturen schaffen, in denen wir gut generationenübergreifend und gleichberechtigt zusammenarbeiten können. Dafür braucht es Offenheit auf beiden Seiten, denn nur gemeinsam können wir die Tafel in die Zukunft bringen.


Anna-Sophia Majewska ist Jugendbeisitzerin im Vorstand der Tafel Deutschland. Sie engagiert sich seit 2020 bei der Bremer Tafel und ist Gründungsmitglied der Jungen Tafel Bremen. Aktuell studiert sie Religions- und Politikwissenschaften an der Universität Bremen.

Foto: Bremer Tafel

Kontakt zur Tafel Jugend


Dieser Beitrag erschien im Tafel-Magazin 2023.

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